piwik no script img

Apo ist wieder da

Heute verhandelt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil gegen PKK-Chef Öcalan

ISTANBUL taz ■ Knapp eineinhalb Jahre nachdem auf der Marmarameer-Insel Imrali das Todesurteil gegen den Chef der Kurdischen Arbeiterpartei PKK gefällt wurde, ist es ruhig geworden um Abdullah Öcalan. Erst die heute beginnende Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringt den Fall wieder in die Schlagzeilen.

Nicht nur in Westeuropa, auch in der Türkei war der einsame Gefangene fast in Vergessenheit geraten. Einmal pro Woche besuchen Öcalan seine Anwälte. Doch seit vor einem Jahr Premier Ecevit bemängelt hatte, dass Apo mit Stellungnahmen zum politischen Prozess in der Türkei fast täglich in den Medien präsent sei, hat sich das schlagartig verändert. Heute wird außer in der prokurdischen linken Tageszeitung Yeni Gündem von ihm kaum noch Notiz genommen.

Das Schweigen um Apo hat vor allem mit dem Bedeutungsverlust der PKK zu tun. Ihr Versuch, die militärische Niederlage in einen politischen Sieg zu verwandeln, ist gescheitert. Öcalan hatte, als er im Sommer letzten Jahres seine Guerilla aufforderte, den Kampf in der Türkei einzustellen und sich in den Nordirak oder nach Europa zurückzuziehen, gehofft, damit den Weg zu öffnen, um als politischer Sprecher der Kurden anerkannt zu werden. Die türkische Regierung hat einen solchen Dialog bislang abgelehnt und jede indirekte Kontakaufnahme verweigert. Stattdessen wurden und werden Angehörige der legalen prokurdischen Partei Hadep wieder mit dem Vorwurf verfolgt, sie hätten Kontakte zur PKK.

Schon aus diesem Grund achtet die Hadep darauf, nicht mit der PKK in Verbindung gebracht zu werden. Da sich somit in der türkisch-kurdischen Öffentlichkeit niemand positiv auf die PKK bezieht und diese hauptsächlich die anderen kurdischen Parteien im Nordirak bekämpft, ist die PKK als politischer Faktor fast ganz verschwunden.

Das wird sich jetzt wieder ändern. Nun wird das Europäische Gericht prüfen, ob die Festnahme Öcalans in Kenia illegal war und ob er auf Imrali einen fairen Prozess hatte oder nicht. Die türkische Regierung hatte sich Anfang dieses Jahres darauf festgelegt, den Ausgang des Verfahrens in Straßburg abzuwarten, bevor Öcalans Todesurteil dem Parlament vorgelegt wird.

Zwar hatte sich die Aufregung um Öcalan weitgehend gelegt, doch nun wird der Fall erneut Teil der Verhandlungsmasse zwischen Türkei und EU. Apo kann nur hoffen, dass die Verhandlung in Straßburg lange dauert und dass parallell dazu die Türkei-EU Gespräche sich positiv entwickeln. Nur dann hat er die Chance, dass die Abschaffung der Todesstrafe noch vor einer Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofes über seine Klage durch das türkische Parlament geht. JÜRGEN GOTTSCHLICH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen