: Zickzack-Politik, um zu überleben
Israels Premier Barak hat keinen zuverlässigen Partner mehr. Eine Annäherung mit den Palästinensern könnte ihn innenpolitisch in Bedrängnis bringen. Auch Palästinenserpräsident Arafat verliert im eigenen Lager zunehmend die Kontrolle
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Eine Koalition auf breiter Basis hatte sich Israels Premierminister Ehud Barak erhofft, als er vor eineinhalb Jahren ins Regierungshaus einzog. Doch stattdessen findet sich der Chef in Jerusalem zunehmend isoliert. Abgesehen von der Zentrumspartei, die seit dem Prozess ihres Chefs Mordechai wegen sexueller Übergriffe angeschlagen ist, steht Barak niemand mehr zuverlässig zur Seite.
Drei Wochen nachdem Barak die Koalitionsverhandlungen mit dem Likudblock abbrach, um stattdessen die orientalisch-orthodoxe Schass mit Geld dazu zubringen, ihm ein zeitlich beschränktes „Sicherheitsnetz“ zu garantieren, will Ariel Scharon nun nichts mehr von einem Einzug seiner Partei in die Koalition hören. Die Schass wiederum droht mit einem Misstrauensvotum, sollte die vom Finanzminister vorgeschlagene Steuerreform verabschiedet werden. Angesichts der verschärften Sicherheitslage fordert die zweitgrößte Oppositionspartei zudem die Errichtung eines „Notstandskabinetts“. Im linken Lager wird ein Zusammengehen mit Scharon grundsätzlich abgelehnt, und die weltliche Schinui-Partei stellt Bedingungen, die wiederum für die Schass untragbar wären.
Mit Blick auf seine innenpolitische Situation könnte eine anhaltende Ruhe in den Palästinensergebieten fatale Folgen für Ehud Barak haben. Seit Wochen hält sich die Opposition zurück, einen Gesetzentwurf zur vorzeitigen Auflösung des Parlaments auf die Agenda zu bringen, um dem Regierungschef jetzt nicht in den Rücken zu fallen. Immer wenn es knallt und Opfer auf israelischer Seite zu beklagen sind, wird der Ruf nach nationaler Einheit und der Errichtung einer großen Koalition lauter.
Umgekehrt zerbricht die Rückendeckung und Sicherheitsnetze zerreißen, wenn es zwischen Palästinensern und Israelis zur Annäherung kommt. Das Auf und Ab in den Palästinensergebieten hat direkten Einfluss auf die israelische Innenpolitik. Sollte es noch zu Verhandlungen kommen, bedeutete das in der derzeitigen Situation in Jerusalem vorgezogene Neuwahlen.
Eine „Zickzack-Politik“ nennt Schinui-Chef Tommi Lapid die Strategie Baraks, der fast genauso undurchschaubar ist wie der Präsident der Palästinenser. Beide scheinen eine Überlebensstrategie zu verfolgen, denn auch die Handlungsfreiheit Arafats ist nicht mehr unumstritten.
Wie reduziert sein Einfluss auf die eigenen Truppen ist, beweist der Widerhall auf sein Kommando, von der autonomen Zone aus nicht mehr das Feuer zu eröffnen. Die Übergriffe wurden zwar „deutlich weniger“, wie die israelische Armee berichtete. Von einem kompletten Feuerstillstand war man indes weit entfernt.
Die so genannte Al-Aksa-Intifada hat das Kräfteverhältnis in den Palästinensergebieten verschoben. Gewinner ist die Tansim, die „Organisation“ der Fatach-Jugend, deren Kommando Marwan Barghouti innehat und die mit ihren Demonstrationen ausdrückte, was das Volk schon lange fühlte. Jüngsten Umfragen zufolge unterstützen inzwischen 80 Prozent der palästinensischen Bevölkerung gewaltsame Aktionen gegen israelische Einrichtungen. Die Tansim steht zudem für die Leute, die die Intifada vor gut 20 Jahren begannen und die den Kampf gegen die Besatzung führten, während die PLO-Führung im Exil saß. Bei der Postenvergabe nach Rückkehr der Führung blieben die Intifada-Kämpfer weitgehend unberücksichtigt. Als es darum ging, eine Verwaltung aufzubauen, setzte Arafat sein Vertrauen in die, die mit ihm aus Tunis zurückgekehrt waren. Das Aufbäumen der Tansim ist Indiz dafür, dass die Zeit der alten Exilanten ihrem Ende entgegengeht.
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