: Das Tor steht (noch) allen offen
Weil Neonazis gern durch das Brandenburger Tor marschieren, wollen Otto Schily und die Länderinnenminister das Demonstrationsrecht einschränken. Da mögen die Grünen nicht mittun. Morgen berät die Konferenz der Innenminister
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Am 9. November sind sie noch gemeinsam gegen rechts vor das Brandenburger Tor gezogen. Aber einen rot-grünen Durchmarsch für ein eingeschränktes Versammlungsverbot wird es nicht geben. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Grüne lehnt die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geplante Verschärfung des Demonstrationsrechts entschieden ab. Zugleich wies die Fraktion gestern die Vorschläge der Länderinnenminister zurück, das Demonstrationsverbot auf drei weitere so genannte befriedete Bezirke in Berlin – wie auch das Brandenburger Tor – zu erweitern.
Morgen werden die Länderinnenminister auf ihrer Konferenz drei Gesetzentwürfe – aus Berlin, Rheinland-Pfalz und von SPD-Bundesinnenminister Schily – zur Einschränkung des Versammlungsrechts beraten. Anschließend soll die gemeinsame Beschlussvorlage in den Bundestag eingebracht und noch in diesem Jahr in erster Lesung diskutiert werden. Am Montag hatten die Länderinnenminister aus Baden-Württemberg und Sachsen, NRW und Schleswig-Holstein bereits signalisiert, dass sie den von Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) eingebrachten Entwurf unterstützen. Dessen Vorschlag sieht vor, das Versammlungsverbot neben dem Reichstag auch auf drei weitere „befriedete Bezirke“, am Pariser Platz, der Neuen Wache und dem geplanten Holocaust-Mahnmal, auszudehnen.
Werthebach begründet seine Initiative damit, dass „diese Orte von nationaler Bedeutung“ mehrfach als Aufmarschplätze für rechtsextreme Organisationen dienten.
Der rechtspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, hat gestern Schily und die Länderminister abermals davor gewarnt, die rechtsextremen Aufzüge zum Vorwand zu nehmen, das „Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken“. Das Demonstrationsrecht sei von zu „hohem Wert“, um es anlässlich rechter Proteste einschränken zu müssen. Beck sagte: „Versammlungen von rechtsradikalen Demonstranten sind trotz aller Widerwärtigkeiten hinzunehmen, solange sie keinen Rechtsbruch begehen.“ Seine Fraktion werde im Bundestag gegen die Vorlage stimmen.
Beck und der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Cem Ödzemir, lehnten auch die von Werthebach und Schily vorgeschlagenen „Ausnahmeregelungen“ für Demonstrationen innerhalb der „befriedeten Bezirke“ ab. Schily hatte angeregt, dass aber etwa jüdische Organisationen von einem solchen Demonstrationsverbot ausgenommen werden könnten.
Statt die Grundrechte einzuschränken, fordern die Grünen, die bestehenden strafrechtlichen Regelungen gegen rechtsextremistische Aufmärsche zu erweitern. Bei einer konsequenten Anwendung des geltenden Rechts, so Beck, sei es möglich, rechtsradikale Umzüge zu verbieten, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung gefährdeten. Zugleich forderte er die Innenminister auf, die Ausweitung der strafrechtlichen Regelungen bei der Verwendung von Nazisymbolen „zu prüfen“. Beck sprach sich zudem dafür aus, dass Bund und Länder ein „umfassendes Sicherheitskonzept“ zum Schutz der NS-Gedenkstätten und des geplanten Holocaust-Mahnmals zu entwickeln.
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