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Mehr Netz fürs Geld

Bisher war das Internet in Deutschland wegen der Telekom-Monopolstellung zu teuer. Nach einemBeschluss der Regulierungsbehörde für Telekommunikation werden die Karten jetzt neu gemischt

von ERIK MÖLLER

Zwei Unternehmen beherrschen in Deutschland den Markt der privaten Internetzugänge. Die Telekom-Tochter T-Online und der deutsche Ableger des US-Branchenriesen America Online (AOL, „Ich bin drin!“). Trotz Robert T. Online und Boris Becker sind aber nur relativ wenige Deutsche im Internet. Nur 23 Prozent der Bevölkerung verfügen über einen Zugang, in anderen europäischen Ländern wie Holland und Norwegen sind es prozentual mehr als doppelt so viele Nutzer.

Der Rückstand ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Telekom trotz des 1998 liberalisierten Markts für Telekommunikation ihr Monopol im Ortsnetz behalten hat, das für den privaten Anschluss ans Internet entscheidend ist. Die so genannte „letzte Meile“, die Drahtverbindung von den Kunden zu den Telekom-Vermittlungsstellen, lag bisher fest in der Hand des rosa Riesen.

Für die Nutzung der Leitungen verlangte der Konzern von seinen Konkurrenten bisher Gebühren in Höhe von rund 1,5 Pfennig pro Minute. Damit bewirkte die Liberalisierung kaum Veränderungen am Internetmarkt, der an hohen Preisen krankte. Bei den geltenden zeitabhängigen Preisen waren die Telekom-Konkurrenten bislang nicht in der Lage, einen Internetpauschaltarif anzubieten. Als im Sommer T-Online für rund 80 Mark einen eigenen Flatrate-Tarif auf den Markt brachte (finanziert natürlich über Quersubventionen), zogen viele andere Konzerne nach. Sie versuchten, durch Mischkalkulation einen Pauschalpreis zu realisieren: Man hoffte, dass die Nutzer im Durchschnitt weniger surfen, als über den festen Monatsbetrag finanzierbar ist.

Die Rechnung ging in keinem Fall auf, „Power-User“ sorgten für ein baldiges Sterben der neuen Flatrates: Sonnet, Cisma, Surf1, MIC und NGI stellten ihre Angebote nur wenige Monate nach dem Start wieder ein, andere erhöhten die Preise um ein Vielfaches. Nur AOL konnte es sich leisten, das Verlustgeschäft weiter zu betreiben. Großer Gewinner war die Telekom, die Tausende von verlorenen Kunden an sich binden konnte. Dabei sieht der T-Online-Flatrate-Vertrag eine Mindestlaufzeit von 12 Monaten vor. Offiziell schreibt natürlich auch T-Online mit dem Flatrate-Angebot Verluste, doch tatsächlich geht das Geld ja an den Mutterkonzern.

Noch einen drauf setzten die T-Online-Strategen mit neuen Preisen für den Breitbandzugang T-DSL. DSL erlaubt über herkömmliche Kupferleitungen Übertragungsgeschwindigkeiten, die weit über die Geschwindigkeit von Modems und ISDN hinausgehen. Beim Herunterladen von Daten ist DSL zehnmal so schnell wie ISDN, beim Hochladen immer noch doppelt so schnell. Seit September bekommt man für rund 15 Mark Aufpreis zum normalen ISDN-Anschluss den DSL-Zugang. Und für 50 Mark im Monat gibt es von der Telekom auch für diesen Zugang eine Flatrate.

Der Breitbandzugang ist in Zukunft von elementarer Bedeutung. Durch die Tarifänderungen hat sich die Telekom eine gute Marktposition gesichert. Andere DSL-Anbieter haben es schwer, Fuß zu fassen: Teilweise bekommen sie von der Telekom nicht einmal die Schlüssel für die Vermittlungshäuschen, oder diese sind kurzfristig komplett unauffindbar (Konkurrenten sprechen von „strategischer Inkompetenz“). Der Breitbandzugang über das Stromnetz steckt noch in den Kinderschuhen, und der Markt für Internet über TV-Kabelanschlüsse ist zersplittert. Allerdings: Zurzeit kommt die Telekom mit den DSL-Anschlüssen nicht mehr nach, wichtige Bauteile fehlen.

Schon Anfang Oktober wurde allen EU-Mitgliedsländern eine Öffnung der Ortsnetze bis zum Jahresende vorgeschrieben. Zur Flatrate-Situation hat die 1998 eingerichtete Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (www.regtp.de) nun einen wichtigen Beschluss zur Umsetzung der EU-Vorschriften in Deutschland gefasst. Vergangenen Mittwoch verpflichtete sie die Telekom, eine „Großhandels-Flatrate“ anzubieten, also die letzte Meile zum Pauschalpreis an die Mitbewerber zu vermieten. Wie hoch dieser Preis sein wird, ist noch unklar. Doch hat die RegTP schon den nächsten Schritt angekündigt und will auch den Breitbandmarkt liberalisieren. Behördenchef Scheuerle sagte der Berliner Zeitung: „Wir müssen darauf achten, dass der DSL-Markt nicht kaputtgemacht wird, bevor er sich richtig entwickeln kann.“ So soll es Mitbewerbern erlaubt werden, auch DSL-Leistungen von der Telekom teilweise anzumieten.

Die Telekom indes reagierte empört. Sprecher Ulrich Lissek sprach von einem „Pyrrhussieg für die Verbraucher“, da nur der Zugang mit veralteten Übertragungstechniken verbilligt werde. Als Folge des Massenansturms erwartet die Telekom gar eine Überlastung des Telefonnetzes. AOL hatte solche Bedenken schon im Vorfeld abgewiegelt: Wenn man zum Beispiel auf „Friaco“, eine in England bereits gut erprobte Technik zur Trennung von Daten- und Sprachverbindungen zurückgreife, könne nichts passieren.

Auch die Drohung der Telekom, ihre eigene ISDN-Flatrate für Privatkunden wieder rückgängig zu machen, muss niemanden erschrecken. Der Preiskampf um den Pauschalzugang der Internetanbieter kann jetzt erneut beginnen – und er wird hart werden. Selbst T-Online-Aktionäre müssen sich deswegen allein noch keine Sorgen machen: Mit seinen 6 Millionen Kunden steht der Onlinedienst auf einer soliden Basis, und mit dem schnellen Einstieg in DSL sind wichtige Claims abgesteckt. So erklärte dann auch am Montag Joachim Dreyer, der Präsident des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten, Deutschland könne bald zu den führenden Internetnationen aufschließen. In den USA ist die Flatrate schon ein alter Hut, und Kabelmodems, DSL-Zugänge und flotte Standleitungen sind weit verbreitet.

moeller@scireview.de

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