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Kein Fest der Sinne

Sitzung zum Hamburger Haushalt: Müder Wahlkampfauftakt bei der Generaldebatte der Bürgerschaft  ■ Von Peter Ahrens und Sven-Michael Veit

Das war die Wahlkampferöffnung: müde, weitgehend unispiriert und mit gebremstem Schaum. Die Attacken, die vor allem die CDU im Vorfeld angekündigt hatte, blieben aus – kein Fest der Sinne.

CDU-Fraktionschef Ole von Beust, der die gestrige Generaldebatte zum Hamburger Haushalt eröffnete, hielt sich bei seinen Attacken gegen den Senat spürbar zurück, lobte Elbvertiefung und Dasa-Erweiterung, forderte nicht mal einen SenatorInnen-Rücktritt und rang sich gar Bekenntnisse „zu unserer schönen Stadt“ ab.

Ansonsten entdeckte von Beust sein soziales Herz als Rächer der Witwen und Waisen. „Sie lassen die Kleinen und Schwachen im Stich“, warf er der SPD vor: Geschlossene Bücherhallen und Jugendhäuser, die Kita-Card – „die Kleinen und Wehrlosen haben Sie einfach nicht mehr auf Ihrer sozialdemokratischen Rechnung“. Ausführlich widmete er sich den christdemokratischen Lieblingsthemen Filz „in Reinkultur“ und, wie erwartet, Innere Sicherheit. Themen wie Arbeitslosigkeit und Wirtschaftspolitik tauchten dagegen bei seinem kraftlosen Auftritt überhaupt nicht auf.

Seinem Stellvertreter Roland Salchow war es vorbehalten, sich auf die „vergebliche Suche nach den Grünen“ in der Koalition zu machen und festzustellen: „Wen diese verfilzte SPD in ihre Regierung mitnimmt, den erwürgt sie, wie sie das mit der GAL gemacht hat“, legte er die Angriffslust an den Tag, die man von seinem Vorsitzenden hätte erwarten dürfen.

Was es SPD-Fraktionschef Holger Christier leicht machte, eine Sprechblase nach der anderen zu produzieren: „So kommen Sie nie von der Sonnenbank auf die Senatsbank“, prophezeite er von Beust. Vor der Bürgerschaftswahl sei ihm jedenfalls nicht bange. Denn die CDU „hat ein paar Visionen, die SPD aber setzt die Visionen um“.

Für Visionen ließ GAL-Fraktionschefin Antje Möller wenig Platz: „Wir lassen die Lyrik weg.“ Sie bemühte sich zumindest, sich an Sachpolitik und Inhalten abzuarbeiten, von der Jugendpolitik über das Arbeitsplatzangebot im Handwerk bis hin zu Gartenbau und sozialer Stadtteilentwicklung. Koalitionskritische Töne hörte man bei ihr in diesem Jahr allerdings nicht.

Ganz im Gegensatz zu Heike Sudmann, Gruppensprecherin des Regenbogen. Sie ließ erwartungsgemäß kein gutes Haar an der Bildungs- und Sozialpolitik der rot-grünen Koalition. Es sei „eine Schweinerei“, MitarbeiterInnen auf Sozialämtern zur Senkung der Auszahlungen aufzufordern. Auch die Planungen für Großprojekte sei „unseriös“. Bei der Hafenerweiterung in Altenwerder seien 4000 Arbeitsplätze versprochen worden, faktisch entstehen würden etwa 300. Ähnlich, prophezeite Sudmann, „wird es beim Airbuswerk oder bei der Messe sein“.

Anwürfe, die die SPD und ihren Bürgermeister Ortwin Runde nicht aus ihrer Selbstzufriedenheit reißen konnten. Runde berief sich auf das Time-Magazine und die Bild als Leumundszeugen, wie gut es der Stadt unter Rot-Grün geht. Weitschweifig zitierte er zudem aus dem aktuellen Focus, der Hamburg zur lebenswertesten deutschen Stadt erkoren hat: „Und wenn das der Focus aus München schreibt, dann muss es ja wohl stimmen.“ Dieselbe Zeitschrift hatte noch vor drei Wochen in einer Umfrage Runde als Langweiler tituliert.

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