: Gespräche in Nahost
Präsident Arafat trifft israelische Minister. Israel angeblich zu neuen Konzessionen bereit. Erneut fünf Palästinenser von Soldaten getötet
JERUSALEM taz ■ Ministerpräsident Ehud Barak hat den Palästinensern weitere Zugeständnisse in Aussicht gestellt, um mit einem Entwurf zu einem Friedensabkommen in die vorgezogenen Neuwahlen gehen zu können. Nach neuesten Meinungsumfragen hat Barak derzeit keine Chancen auf einen Wahlsieg. Wahlen zum Amt des Premiers müssten 60 Tage nach Baraks Rücktritt von letzter Woche, Gesamtwahlen 90 Tage nach einer Parlamentsauflösung stattfinden. Nach Treffen von Außenminister Schlomo Ben-Ami sowie Tourismusminister Amnon Lipkin-Schachak mit Palästinenserchef Jassir Arafat berichtete der israelische Rundfunk über die Bereitschaft der Regierung, in Hinblick auf Jerusalem und den Abbau jüdischer Siedlungen neue Konzessionen zu machen. Bedingung dafür soll das palästinensische Einverständnis sein, die komplizierte Frage des Rückkehrrechts von Flüchtlingen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Als Geste guten Willens zur Milderung des wirtschaftlichen Elends, das durch die Abriegelung der besetzten Gebiete entstanden ist, hat Israel seit gestern 16.000 palästinensischen Arbeitern die Einreise gestattet.
Der israelische Versuch, zu einem raschen Friedensabkommen zu kommen, ist in der palästinensischen Führung umstritten. Der Arafat nahestehende Parlamentspräsident Abu Ala hat Kontakte bisher mit dem Hinweis boykottiert, dass Übereinkommen vor den Neuwahlen in Israel sinnlos seien. Am Wochenende will der scheidende US-Präsident Clinton die Erfolgschancen von Verhandlungen vor Antritt der Bush-Regierung am 20. Januar abwägen. Der amerikanische Nahostemissär Dennis Ross war am Mittwoch mit Arafat in Marokko zusammengetroffen. Von seiner Einschätzung hängt ab, ob Clinton und Außenministerin Albright zu einem neuen Vermittlungsversuch in den Nahen Osten reisen.
Unterdessen kam es in den Autonomiegebieten wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischem Militär. In der Nähe der jüdischen Siedlung Jitzhar bei Nablus im Westjordanland starben in der Nacht zum Freitag drei Palästinenser bei einem Feuergefecht mit dem Militär. Am Übergang Eres zum Gazastreifen wurde ein Palästinenser erschossen, der nach israelischen Angaben einen Soldaten zu erstechen versucht hatte. Bei Ramallah erschossen nach palästinensischen Angaben israelische Scharfschützen unter ungeklärten Umständen einen palästinensischen Polizisten. Nach dem muslimischen Freitagsgebet entwickelten sich in der Altstadt von Jerusalem Straßenschlachten zwischen Soldaten und Steine werfenden Jugendlichen, als die Polizei Männern unter 35 Jahren den Zugang zu den Moscheen auf dem Tempelberg untersagt hatte. ANNE PONGER
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