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Jedes Geschenk ist Bestechung

Alle Jahre wieder investieren Unternehmen viel Geld, um gute Freunde in Behörden und Verwaltungen mit kleinen Aufmerksamkeiten zu überhäufen. Das geht vom Kugelschreiber bis zur Segeljacht. Beamte müssen jedes Präsent melden

von THOMAS STROHM

Kleine Geschenke erhalten – wie jeder weiß – die Freundschaft. Gerade zu Weihnachten zeigen sich die Unternehmen generös. Und mit der Bedeutung des Beschenkten wachsen auch die Geschenke: Statt Kugelschreibern, Kalendern und anderem Billigplunder gibt es da schnell mal die Einladung zu einem Bundesligaspiel inklusive Anreise, und ganz wichtige Menschen dürfen sich auch mal über ein Auto oder eine Segeljacht freuen. Alles selbstverständlich völlig unverbindlich und ohne jedweden Hintergedanken.

Für echte VIPs ist bei Geschenken das ganze Jahr Saison. Bundesminister müssen deshalb ihre Präsente nicht nur zur Weihnachtszeit offenlegen: Nach Auskunft des Innenministeriums gilt bei ihnen für alle Geschenke eine „Anzeigepflicht“. Der Chef des Bundeskanzleramts entscheidet, was mit den Gaben geschieht.

Für Amtsträger im öffentlichen Dienst gilt generell die „Grenze Null“, sagt Claus-Peter Wulff, Leiter der Zentralstelle Korruption bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Die ist vor zwei Jahren eingerichtet worden, um Korruption vorzubeugen. Denn, sagt Wulff: „Das ist billiger, als sie hinterher zu verfolgen.“ Zu 90 Prozent werden die Beratungsdienste seiner Zentralstelle von der öffentlichen Hand in Anspruch genommen. 10 Prozent der Anfragen kommen aus Privatunternehmen.

Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot von Geschenken gibt es für Angestellte und Beamte des Bundes nach Angaben des Innenministeriums nur für „Marginalien“ wie Kugelschreiber – aber selbst die müssen angezeigt und genehmigt werden. Etwas größere Geschenke – bei teuren Taschenrechnern oder Uhren angefangen – gehen in Bundeseigentum über. Sie können vom Beschenkten aber durch Überweisung des geschätzten Sachwertes an eine gemeinnützige Organisation erworben werden.

Nach Ansicht des Staatsanwaltes Wulff, sind jedoch „sozial adäquate Geschenke“ zulässig. An den zehn Mark, die Müllmänner in der Adventszeit in die Hand gedrückt bekommen – nachdem sie zu nachtschlafender Zeit Sturm geklingelt haben –, gibt es also nichts auszusetzen. Doch wer etwas verschenkt, erwartet in der Regel eine Gegenleistung – umgängliche Müllmänner oder den nächsten zu vergebenden Bauauftrag: Die Kosten für das Präsent werden oft gleich „reinkalkuliert“, sagt Wulff. Egal ob die Rechnung die öffentliche Hand bezahlt oder ein privates Unternehmen.

In der Wirtschaft werden Geschenke nach Wulffs Eindruck „locker“ bis „naiv“ gesehen – trotz eines seit 1997 geltenden Gesetzes gegen Bestechlichkeit und Korruption in der Privatwirtschaft. Danach dürfen Aufsichtsräte, Vorstandsmitglieder oder auch kleine Abteilungsleiter keine Geschenke annehmen, wenn diese dazu dienen sollten, „den Markt zu beeinflussen“, sagt Claus-Peter Wulff.

Aber der Staatsanwalt bleibt realistisch: „Korruption kommt so gut wie nie raus.“ Denn die, die was wissen, brauchen nichts zu sagen, weil sie sich selbst belasten könnten. Und weil seit 1998 Bestechung nicht mehr steuerlich absetzbar ist, kommt auch auf diesem Weg nichts mehr ans Licht. Wulff ist sich sicher, dass der Herzklappenskandal Mitte der 90er-Jahre nur aufgedeckt worden sei, weil die Unternehmen die Bestechungsgelder vom Gewinn abgezogen und weniger Steuern bezahlt hätten. Damals standen Hunderte von Ärzten und Krankenhäusern unter Verdacht, von Pharmaunternehmen Geld angenommen und bei dem selben Unternehmen reichlich überteuerte Herzklappen auf Kosten der Krankenkassen bestellt zu haben.

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