: Abschiebehaft begrenzt
Kurde kommt nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts frei: Haft dauerte zu lange
FREIBURG taz ■ Wenn Ausländer in Abschiebehaft genommen werden, muss der Staat das Prinzip der „Verhältnismäßigkeit“ beachten. Daran hat das Bundesverfassungsgericht in einem gestern veröffentlichten Beschluss erinnert. Es gab dabei der Klage eines Kurden statt, dessen Abschiebung nicht absehbar war, und sorgte dafür, dass er aus der Haft entlassen wurde.
Der Kurde war 1992 als Jugendlicher nach Deutschland geflohen. Fünf Jahre später wurde er zu einer Strafe wegen Drogenhandels verurteilt. Nach Verbüßung der Haft wollten ihn die Behörden sofort in die Türkei abschieben und nahmen ihn in Abschiebehaft. Parallel dazu lief das Asylverfahren des Kurden. Er fürchtete politische Verfolgung wegen des Verdachts, er und sein Vater hätten mit Drogengeldern die Kurdenpartei PKK unterstützt. Wegen des aussichtsreichen Asylverfahrens wurde die Ausweisung ausgesetzt.
Dennoch wollten die Behörden nichts riskieren und behielten den Kurden in Haft. Dieser Praxis hat nun das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben: „Der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, von der Abschiebehaft abzusehen, wenn die Abschiebung nicht durchführbar und die Freiheitsentziehung deshalb nicht erforderlich ist.“ Eine Bestimmung des Ausländergesetzes, die dem Rechnung trägt, war im vorliegenden Verfahren missachtet worden. Danach ist die Haft zu beenden, wenn die Abschiebung „aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat“, in den nächsten drei Monaten nicht vollziehbar ist.
Die meisten Fälle überlanger Abschiebehaft sind auf Passprobleme zurückzuführen. Darauf ist die Karlsruher Entscheidung zwar nicht direkt anwendbar, doch allgemein bedeutend ist, „dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs mit zunehmender Dauer der Haft regelmäßig vergrößern wird“. Die in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vorgesehene Prüfung über die „Dauer der Abschiebehaft“ ist bislang nicht erfolgt. (Az.: 2 BvR 347/00) CHRISTIAN RATH
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