: Ein Entführungsfall mit vielen Fragezeichen
Die Umstände der Entführung der 9-jährigen Sophia sind weiter unklar. Medienrummel behindert Ermittlungen. Stimmen über „inszenierten“ Fall
In Polizeikreisen wächst das Unbehagen über die Umstände der Entführung der 9-jährigen Sophia Wendt, die am Montag unversehrt wieder aufgetaucht war. „Es gibt Stimmen, die vom Vortäuschen einer Straftat ausgehen“, hieß es gestern aus Polizeikreisen. Der Bau des Eigenheims der Familie, der „einem halben Palast“ gleiche und „aufmerksam registriert“ werde, öffne „Spekulationen Tür und Tor“. Zudem sei man „äußerst entrüstet“ darüber, dass die Medien gegenüber den ermittelnden Beamten „bevorzugt“ würden. Es sei nicht auszuschließen, dass die Entführung inszeniert wurde – ohne das Wissen des Kindes.
Sophia war am vergangenen Donnerstag verschwunden, am Montag hatte sie ein unbekannter Mann in der Nähe einer Polizeiwache abgesetzt. Nach Angaben des Kindes wurde es von diesem Mann in der Nähe ihres Elternhauses mit einem Messer bedroht und in eine Plattenbauwohnung in der Nähe gebracht.
Als das Kind wieder da war, feierte die Familie die Rückkehr mit einer großen Party bis in die Morgenstunden, bei der mehrere Fernsehsender zugegen waren. Nach Polizeiangaben soll dabei „ein ganzer Batzen Geld geflossen“ sein. Ein Sicherheitsexperte sagte gegenüber der taz, dass auch er glaube, die Entführung sei inszeniert worden. Mit „Big Brother“ sei eine Grenze überschritten worden. „Selbst wenn sie erwischt werden, kassieren sie zwei Mal.“
Bisher hat das Mädchen, das nicht sexuell missbraucht und von dem Unbekannten offenbar gut versorgt wurde, noch keine verwertbare Täterbeschreibung gegeben. Deshalb konzentriert sich jetzt die Polizei darauf, die Wohnung, in der sich das Mädchen aufgehalten hat, ausfindig zu machen. Gestern wurde eine Grobskizze der „Standardwohnung mit baulichen Veränderungen“ veröffentlicht.
Ein Polizeisprecher beklagte gegenüber der taz, dass sich der Medienrummel bei den Vernehmungen bemerkbar mache. „Das Kind ist genervt und hat keinen Bock mehr, alles zigmal zu erzählen.“ Es sei „kontraproduktiv“, dass die Polizei durch die Medien „ins Hintertreffen“ gerate.
Andererseits betonte der Polizeisprecher, dass es „keine definitiven Anhaltspunkte“ dafür gebe, dass die Entführung vorgetäuscht worden sei. Mehrere Faktoren sprächen dagegen: Der Vater von Sophie, der selbst Polizeibeamter ist, würde seine Beamtenlaufbahn aufs Spiel setzen. Zudem sei nicht vorstellbar, dass die Eltern, „die ihr Kind lieben“, ihre Tochter „wegen dem schnöden Mammon“ in eine Zwangslage bringen würden. In der Zwischenzeit habe es einige Gespräche mit den Eltern über den Medienrummel gegeben, so dass jetzt „alles wieder im Lot“ sei. Die Mutter war gestern am Telefon kurz angebunden. „Ich bin enttäuscht von den Medien und sage gar nichts mehr.“B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
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