: Finanzielle Transaktionen aller Art
Der Angeklagte Thomas Drach gibt sich im Gerichtssaal als Geschäftsmann mit Sinn für besseren Lebensstil
HAMBURG taz ■ Säße er in diesem Saal des Hamburger Strafjustizgebäudes nicht auf der Angeklagebank, sondern unter den Zuschauern oder Journalisten, fiele er nicht weiter auf. Eine eher schmale, kleine Gestalt. Nichts mehr vom Speck am Körper, den er sich während seiner knapp zweijährigen Flucht angefuttert hat. Der Schopf schon sehr gelichtet, die Brille unauffällig. Thomas Drach trägt dazu einen legeren Pullover über der dünnen Jeans.
Am ersten Verhandlungstag ging er noch mit festem Schritt auf seinen Stuhl zu, gestern wirkte sein Gang eher lax, als würde er einer Talkshow folgen. Dabei steht er selbst im Mittelpunkt des Interesses. „Ich wurde am 11. 6. 1960 in Köln geboren“, sagt er zur eigenen Person. Der Vater sei Direktor einer Industriebuchhaltung gewesen, die Mutter Hausfrau. Das Gymnasium habe er am Ende der neunten Klasse mit dem Hauptschulabschluss verlassen. Danach habe er „nichts mehr gemacht“. Tatsächlich hat Thomas Drach nach seiner Schulzeit ganz andere Reifeprüfungen abgelegt.
Er verstand sich als Kaufmann, als Mann für ökonomische Transaktionen aller Art. Von Ungarn aus hat er sie eingefädelt, organisiert und durchgeführt. Bis ein Jahr vor dem Kidnapping des gelernten Hamburger Philologen und geborenen Millionärs hat der Rheinländer eine leidlich erfolgreiche Karriere als Berufskrimineller absolviert. Mehrere Jahre saß er in Strafanstalten.
Reemtsma hat Drach während seiner 33 Tage in Haft gefragt, warum er bei seiner Intelligenz nicht den legalen Weg gegangen sei, zu Geld und Wohlstand zu kommen. Drach habe nur geantwortet, keine Lust gehabt zu haben, für drei- bis fünftausend Mark zu ackern, um vielleicht später einmal mehr zu bekommen. Da aber das Leben mit fünfzig vorbei sei, hätte er etwas unternehmen müssen, um die schönen Dinge des Lebens im jugendlicheren Alter genießen zu können. Drach sah es auf die Statussymbole der Erfolgreichen ab: teure Autos, teure Hotels, teure Frauen. Der damit verbundene Lebensstil wurde Drach schließlich auch zum Verhängnis: Von Uruguay aus orderte Drach Tickets für ein Rolling-Stones-Konzert in Buenos Aires.
Reemtsma analysierte seinen Peiniger in dem Buch „Im Keller“ als „dissoziierte Person“: Als einen Menschen, der von keiner gesellschaftlichen Ethik erreicht wird, der strikt seinen eigenen Vorteil im Blick hat und unfähig ist, Gefühle anderer Menschen in das eigene Handeln einzubeziehen, wenn sie seinen eigenen Interessen zuwiderlaufen.
Drach machte bislang nicht den Eindruck, als würde er die Schwere seiner Tat einsehen, geschweige denn bereuen. Ein Kaufmann, nichts weiter, der einen Deal in den Sand gesetzt hat. Schon seine Klage über die argentinischen Haftbedingungen wirkte obszön: Reemtsma habe alles gehabt, er im „Knast“ von Buenos Aires nichts.
Thomas Drach pokert. „Sie können mir ja gar nichts beweisen“, sagte er, sichtlich empört und wütend, also in der Art vom Gegenteil dessen, wie sich die Justiz einen zerknirschten Straftäter vorstellt, der gelobt, es nie wieder zu tun. Diese Worte können vom einen Angeklagten nicht verlangt werden. Thomas Drach aber erweckt den Eindruck, als könnte er immer noch nicht verstehen, weshalb sich Reemtsma so darüber aufregt, für 33 Tage nichts als eine 30 Millionen Mark teure Ware gewesen zu sein. JaF
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