: Nur noch sonntags?
Präsident des Umweltbundesamtes fordert im taz-Gespräch Verbraucher auf, bei Fleisch Verzicht zu üben: „Der Fleischkonsum muss runter.“ Opposition zollt neuer Agrarministerin Respekt
BERLIN taz/dpa ■ Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, hat einen grundsätzlichen Wandel in der Landwirtschaft verlangt. „So, wie es bisher war, geht es nicht weiter“, sagte Troge der taz. Troge fordert eine „ökologische Finanzreform“ in der Landwirtschaft. Zuschüsse vom Staat für die Landwirtschaft sollten zukünftig von der Einhaltung bestimmter Standards abhängig gemacht werden. Ökobauern sollten zusätzliche finanzielle Mittel für „ihre besonderen Leistungen im Umweltschutz“ erhalten.
Zudem sprach sich Troge für einen deutlich reduzierten Fleischkonsum der Verbraucher aus: „Der Fleischkonsum muss runter.“ Dies würde vermutlich durch erhöhte Preise erfolgen, wenn nur noch gesundheitlich einwandfreies Fleisch produziert werde.
Bei ihrer „Jungfernrede“ im Bundestag zeigte sich die grüne Ministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft, Renate Künast, gestern unerschrocken. Selbstbewusst gab sie gegen Vorbehalte, als „Stadtpflanze“ von Acker, Vieh und Forke kaum Ahnung zu haben, einen klaren Kurs vor, der Deutschland aus der BSE-Krise führen soll. Das trug ihr sogar den Respekt der Opposition im Bundestag ein, die Künast „sinnvolle Vorschläge“ bescheinigte.
Künast den Rücken gegen alle Vorbehalte gestärkt hatte bereits Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Denn seiner Meinung nach muss man kein Landwirt sein, um Agrarpolitik zu verstehen. Kritik erntete Schröder gestern vom Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner. Dieser warf Schröder vor, er habe die Diskussion in der BSE-Krise zusätzlich angeheizt.
In Bayern gibt es einen weiteren BSE-Verdachtsfall. Bei einer am Dienstag im Schlachthof im oberbayerischen Waldkraiburg getöteten Kuh ergab der Schnelltest einen Verdacht auf Rinderwahnsinn, teilte das Landratsamt am Donnerstag mit.
Nach gerade einer Woche im Amt wurde der erste Tag als vereidigte Ministerin für Künast zu einem Parforceritt. Am Morgen ein Frühstück mit EU-Agrarkommissar Franz Fischler, dann Vereidigung und Bundestagsdebatte, später ein Gespräch mit Fachjournalisten zur Agrarpolitik und schließlich die offizielle Eröffnung der Grünen Woche am Abend. Agrarkommissar Fischler forderte zum Auftakt der Messe eine Rückkehr zur naturnahen Landwirtschaft. Kühe dürften nie wieder zu „Kannibalen“ gemacht werden, sagte er.
Verbraucher fordern von Künast nun, das Vertrauen in die Lebensmittel wiederherzustellen, der Kanzler verlangt die Wende in der Agrarpolitik und eine effiziente Strategie gegen die Rinderseuche, die Bauern wollen Unterstützung in der schweren Krise, die Agrarfunktionäre ein „Ende der Kampfparolen“ gegen die Agrarlobby. „Die Zeit des Gegeneinanders ist vorbei, wir werden versuchen, alle an den Tisch zu bekommen“, gab Künast im Bundestag den Weg vor. „Vorsorgender Verbraucherschutz ist das Zauberwort“, sagte sie.
Vorwürfe der politischen Hilflosigkeit der Regierung, der Planlosigkeit, des Abwiegelns der BSE-Gefahr prasselten auf Künast ein. Letztlich aber ging die Opposition doch relativ sanft mit der Politikerin um und bot ihr „faire Zusammenarbeit“ an.
Im Vergleich zu der hitzigen Vortagsdebatte um die militante Vergangenheit von Außenminister Fischer verlief die Diskussion über das Reizthema BSE fast lustlos. Kein anderer Bundesminister war gestern auf der Regierungsbank zu finden. Dabei hatte der Rinderwahn zu einer Kabinettskrise geführt und liefert seit Wochen Gesprächsstoff an den deutschen Küchentischen, was noch gegessen werden kann und was nicht.
Hitzig wurde es im Bundestag nur bei einer Frage: Sollte die Sitzung wegen des Neujahrsempfangs des Bundespräsidenten unterbrochen werden? kuz
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