: Andauernder Katzenjammer bei „Cats“
Auch am Wochenende brachten Streiks das Erfolgsmusical an der Reeperbahn zum Verstummen. Mediengewerkschaft wirft Management Erpressung vor ■ Von Eckart Gienke und Sven-Michael Veit
Katzenjammer im Operettenhaus an der Reeperbahn und kein Ende in Sicht: Der erbitterte Tarifkonflikt legt den Spielbetrieb beim Erfolgsmusical „Cats“ auch am Wochenende lahm, bereits acht Vorstellungen fielen seit Dienstag aus. Allein am Sonnabend und Sonntag standen rund 4400 Musical-Fans vor geschlossenen Türen. Mittlerweile ist fraglich, ob überhaupt noch eine Vorstellung über die Bühne geht.
Eigentlich ist alles fest geplant: Am 28. Januar soll nach fast 15 Jahren der letzte Vorhang für das Erfolgsmusical „Cats“ in Hamburg fallen. Nach mehr als 6000 Vorstellungen und über sechs Millionen Besuchern wollte sich das Erfolgsstück einen glamourösen Abschied mit Prominenz und Party gönnen. Doch der aktuelle Tarifkonflikt bei „Cats“ hat diese Pläne völlig über den Haufen geworfen.
Seit 1986 tanzen die Katzen an der Reeperbahn. Es war der längst vergessene Impresario Friedrich Kurz, der damit einen kompletten Kultur- und Wirtschaftszweig neu in Deutschland etablierte. Inzwischen hat sich das Musical im deutschen Freizeitmarkt fest etabliert: In Hamburg geistert seit über zehn Jahren Abend für Abend das „Phantom der Oper“ am Holstenbahnhof herum, im Zelt an der Elbe nehmen die Fans tränenreichen Abschied von „Buddy Holly“.
Bundesweit setzt die Branche ungefähr 500 Millionen Mark im Jahr um und beschäftigt mehr als 9000 Menschen. Dazu zählen nicht nur Sänger, Tänzer und Musikanten, sondern auch Schneider und Friseurinnen, Beleuchter und Kellnerinnen, ganz normale Arbeitnehmer. Sie haben, wie es in neuen Wirtschaftszweigen üblich ist, meist keine Tarifverträge und eine schlechte soziale Absicherung.
„Die üblichen Vergünstigungen für Arbeitnehmer gibt es bei Stella nicht, kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld, keine Nacht- und Wochenend-Zuschläge, kein Geld für Überstunden“, klagt Ulrike Fürniß von der IG Medien. Die Geschäftsleitung hat zwar einen Tarifvertrag für die etwa 70 in Hamburg dem Umzug zum Opfer fallenden MitarbeiterInnen ausgehandelt, will aber nicht unterschreiben. Die Branche soll tariffrei gehalten werden. „Wir brauchen möglichst hohe Flexibilität, und die ist mit einem Tarifvertrag nicht zu erreichen“, sagt Stella-Geschäftsführer Wolf-Dieter Werner. Er vermischt die Auseinandersetzung um den Tarifvertrag mit den Verhandlungen um einen Sozialplan für diejenigen „Cats“-Mitarbeiter, die aus dem Unternehmen ausscheiden. Für jeden Streiktag will er den Sozialplan um 100.000 Mark abschmelzen.
Am Freitag sorgte Werner für „eine neue Eskalationsstufe“, wie Fürniß es nennt. Per Kurier bestellte er KünstlerInnen ins Operettenhaus, wo sie von einem Arzt der Stella-Ausfallversicherung erwartet wurden. Die zumeist englischsprachigen TänzerInnen, SängerInnen und MusikerInnen sollten eine auf Deutsch verfasste Erklärung unterschreiben, die den Mediziner von seiner Schweigepflicht entbinden würde. Nur durch das Einschreiten von Betriebsrat und einem Anwalt der Gewerkschaft konnte unterbunden werden, was die IG Medien „Erpressung und Nötigung“ nennt.
Scheint so, als ob der letzte Vorhang bei „Cats“ bereits gefallen ist.
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