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Mehr Gehör für rechte Hetzer

Rot-Grün will dem Verfassungsschutz mehr Befugnisse einräumen. Telefongespräche und E-Mails können künftig auch bei Verdacht auf Volksverhetzung oder auf Gewalttaten mit verfassungsfeindlichem Hintergrund mitgeschnitten werden

von CHRISTIAN RATH

Der Verfassungsschutz soll künftig den Telefon- und E-Mail-Verkehr von Rechtsradikalen besser überwachen können. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den die rot-grünen Rechts- und Innenpolitiker in den letzten Wochen ausgehandelt haben und der morgen im Bundeskabinett behandelt wird.

Künftig sollen die Verfassungsschützer auch mithören und mitlesen können, wenn der Verdacht besteht, dass eine „Volksverhetzung“ droht oder bereits begangen wurde. Erfasst werden damit typisch rechtsradikale Propagandadelikte wie die Aufstachelung zum Rassenhass oder die Leugnung der Auschwitzlüge, die bereits seit langem strafbar sind. Als Volksverhetzung gilt eine hetzerische Äußerung im Übrigen aber nicht, wenn sie privat am Telefon fällt, sondern erst, wenn sie öffentlich gemacht wird. Eine ausdrückliche Eingrenzung auf Rechtsradikale ist allerdings nicht vorgesehen. Der Verfassungsschutz kann seine neuen Befugnisse damit auch gegen Linke einsetzen.

Auch gegenüber Gewalttätern soll der Verfassungsschutz künftig verstärkt der Polizei Konkurrenz machen. Der Geheimdienst darf bald auch lauschen, wenn es um Mord, Sprengstoff- und Brandanschläge geht, sofern ein verfassungsfeindlicher politischer Hintergrund besteht. Bisher waren solche Taten offiziell nur dann im Suchfeld der Verfassungsschützer, wenn sie im Umfeld einer terroristischen Vereinigung begangen wurden. Jetzt können auch Einzeltäter und lockere Gruppen vom Geheimdienst leichter überwacht werden.

Ausdrücklich erlaubt wird, dass solche Abhörprotokolle künftig auch im Rahmen von Parteiverbotsverfahren genutzt werden können. Die rot-grüne Parlamentsmehrheit will allerdings bei der Verabschiedung des Gesetzes per Beschluss klarstellen, dass ein Einsatz im laufenden NPD-Verfahren noch nicht geplant ist.

Eingebaut werden alle drei Änderungen in das so genannte G-10-Gesetz. Dort ist die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs durch die deutschen Geheimdienste umfassend geregelt. Seinen etwas seltsamen Namen hat das Gesetz in Anlehnung an den Grundgesetzartikel 10, der die private Kommunikation der Bürger vor Eingriffen des Staates schützt.

Die Novellierung wurde eigentlich nötig, weil das Bundesverfassungsgericht im Sommer 1999 leichte Einschränkungen bei der strategischen Überwachung des Telefonverkehrs durch den Auslandsgeheimdienst BND gefordert hat. Hier richtet sich die Überwachung, anders als beim Verfassungsschutz im Inland, nicht gegen konkrete Personen, vielmehr wird der gesamte Fernmeldeverkehr mit dem Ausland auf bestimmte Suchwörter durchkämmt und gegebenenfalls die Gespräche mitgeschnitten.

Nun will der Gesetzgeber die – eher belanglosen – Vorgaben aus Karlsruhe umsetzen, plant aber daneben, auch im Tätigkeitsbereich des BND vor allem neue Befugnisse einzuführen. Hier geht es aber weniger um den Rechtsradikalismus, vielmehr wird klargestellt, dass der BND bei der Entführung von Deutschen im Ausland seine Abhörmaschinerie ganz gezielt einsetzen darf. Anlass für diese Regelung war die Entführung der Göttinger Familie Wallert auf der philippinischen Insel Jolo. Manche Beobachter nennen deshalb das ganze Gesetzespaket (etwas verharmlosend) „Lex Jolo“. Im Fall Jolo hat der BND, nach einer Genehmigung durch das zuständige Kontrollgremium des Bundestags, bereits ohne gesetzliche Genehmigung entsprechend agiert.

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