: Der Demo-Tiefkühler
Der Dortmunder Polizeipräsident Hans Schulze ließ 573 DemonstrantInnen gegen rechts einkesseln
von PASCAL BEUCKER
Die Neonazis von Christian Worchs „Nationalem Widerstand“ hatten die Stadt schonlängst wieder verlassen, da standen sie immer noch im Polizeikessel: 573 Demonstranten gegen rechts, darunter 215 Jugendliche, ließ der Dortmunder Polizeipräsident Hans Schulze am 16. Dezember vergangenen Jahres vier Stunden lang im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen. „Wir haben heute einen weiteren Einsatz erfolgreich und professionell durchgeführt“, bilanzierte Schulze am Abend danach. Eine Meinung, mit der der Sozialdemokrat ziemlich allein steht.
Bis heute gingen sieben Dienstaufsichtsbeschwerden bei der zuständigen Bezirksregierung ein. Empörte Eltern erstatteten zudem Strafanzeige gegen Schulze und fordern seinen Rücktritt.
„Die Polizeistrategie war eindeutig darauf angelegt, den Demonstranten unmissverständlich deutlich zu machen, dass in Dortmund Demonstrationen gegen rechts nicht erwünscht sind“, resümiert Barbara Steffens, Fraktionsvize der Grünen im NRW-Landtag. Sie hatte vor Ort erfolglos versucht, Polizeipräsident Schulze zu einer Aufhebung des Kessels zu bewegen. Schulze habe ihr nicht einmal begründen können, warum die Demonstranten eingekesselt worden seien. Mal habe er von notwendiger „Strafverfolgung“, mal von „Gefahrenabwehr“ gesprochen. Auch Steffens hat Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Darin schreibt sie über ihr Gespräch mit Schulze: „Die Aufforderung, den Kessel wegen Unverhältnismäßigkeit aufzulösen und die Menschen nicht weiter einer Gesundheitsgefährdung aufgrund niedriger Temperaturen und Schneeregens auszusetzen, quittierte der Polizeipräsident mit dem Hinweis, die Demonstrantinnen und Demonstranten hätten doch Kleidung zum Demonstrieren gewählt und das müsse bei den Witterungsverhältnissen ausreichen.“
Auf jeden Fall hat der Einsatz Wirkung gezeitigt: „Nach diesen Erfahrungen habe ich mittlerweile mehr Angst vor der Polizei als vor den Neonazis“, berichtete einer der betroffenen Jugendlichen bei einem Treffen mit der SPD-Landtagsfraktion.
Eine umfassende Stellungnahme zu den Vorwürfen könne er erst nach Abschluss der Ermittlungsverfahren abgeben, sagt Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD). Er gehe allerdings davon aus, „dass die Lage eskaliert wäre, wenn die Polizei nicht konsequent eine Konfrontation linker und rechter Gruppierungen verhindert hätte“. Das sieht Hans Schulze bis heute auch so: Er habe sich nichts vorzuwerfen.
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