Braunes Liedgut an Böhmens Grenze

Auf der böhmischen Seite der deutsch-tschechischen Grenze verkaufen Vietnamesen CDs mit Neonaziliedern

HØENSKO taz ■ „Die kaufen ja unser Land leer“, lacht ein Tscheche ungläubig, der am Grenzübergang Bad Schandau-Høensko auf seine Abfertigung wartet. Ganze Familien tragen plastiktütenweise Waren aus Tschechien zu Fuß nach Deutschland. Von Billigtaschen bis Becherovka – auf dem Vietnamesenmarkt in Høensko ist fast alles zu haben. Auch schwer Verdauliches: Eingebettet zwischen Wolfgang Petry und den Fantastischen Vier werden offen rechtsextreme Musik-CDs zum Verkauf angeboten.

Ob das Deutsch des vietnamesischen Verkäufers zum Verständnis von Texten ausreicht wie „Hurra, hurra ein Nigger brennt“, die offen zum Hass gegen Fremde aufrufen, ausreicht, kann ja bestenfalls noch bezweifelt werden. Doch die mit Reichskriegsflaggen, Hakenkreuzen und SS-Runen bestückten CD-Hüllen sprechen für sich. „Gut, gut“, grinst der Verkäufer verkaufserwartend und sagt, in Richtung einer CD mit dem viel versprechenden Titel „Landser“ nickend: „Zehn Mark“.

Neben Veteranen der Neonazimusikszene wie den Böhsen Onkelz oder, auf gut deutsch, Neukommern wie der Härte werden auch CDs mit „traditioneller“ Nazimusik wie dem Horst-Wessel-Lied verkauft.

Zoll und Grenzschutz versuchen die Nazi-CDs erst gar nicht über die Grenze kommen zu lassen. Da diese in Deutschland auf dem Index stehen, werden Verstöße härter geahndet als etwa der Extraliter tschechischen Rums, der von den Zöllnern gelegentlich sichergestellt wird. Volksverhetzung, Aufwiegelung zum Rassenhass, Verbreitung von Propaganda verfassungswidriger Organisationen lauten die Anklagen, wenn Nazi-CDs nach Deutschland eingeführt werden.

Doch bis Ende August fand der sächsische Zoll nur 224 solcher CDs. Die Scheiben lassen sich eben leichter verstecken als Rumflaschen. „Der Verkauf von rechtsextremen CDs an der Grenze ist ein Problem“, schimpft Klaus Fiedler im nahen Pirna. Der Sozialdemokrat weiß aber auch, dass es nur gemeinsam mit den Tschechen wirklich bekämpft werden kann.

In Tschechien ist der Verkauf der braunen Scheiben allerdings nicht strafbar. Die „Arbeitsgruppe Zusammenarbeit ÈSSD-SPD im Gebiet Euroregion Elbe-Labe“, wie die sächsischen und nordböhmischen Sozialdemokraten ihr lockeres Bündnis nennen, hat jetzt eine Erklärung gegen die Nazi-CDs und für eine Gesetzesinitiative der tschechischen Seite verfasst. Als deutsche Sozialdemokraten fühlen sie sich von diesem braunen Ungeist besonders betroffen, lautet der Text der Erklärung, den die Arbeitsgruppe auf Anregung Fiedlers an beide Kammern des tschechischen Parlaments sowie an Präsident Václav Havel geschickt hat. „Dabei denken wir auch an das unermessliche Leid, das der deutsche Faschismus den Menschen Ihres Landes zugefügt hat“, heißt es.

Ein bisschen Pepp vermisse er in dieser Sache schon bei seinen böhmischen Genossen, moniert Fiedler dabei vorsichtig. Doch allein schon die Tatsache, dass die Erklärung jetzt verfasst wurde, sei ein Schritt in die richtige Richtung. Dabei ist die tschechische Regierung offen und bereit, bei der Lösung solch grenzüberschreitender Probleme zu helfen und mit der deutschen Seite zusammenzuarbeiten. Das jedenfalls sagte Premierminister Milo Zeman kürzlich in einem Interview.

Denn auch wenn es Deutsche sind, die den Vietnamesen die CDs abkaufen, so Fiedler, sind es andererseits die Tschechen, die den Verkauf tolerieren. Und das sollte geändert werden. „Unser gemeinsames Haus Europa ist in Gefahr, Risse zu bekommen, wenn neofaschistische Erscheinungen toleriert werden. Es gilt, sie schon in den Anfängen zu bekämpfen – und ein wichtiger Punkt hierbei sollte das Verbot der Herstellung sowie des Vertreibens von Publikationen mit rechtsextremem Gedankengut sein“, schließt die Erklärung.

Die Tschechen, die in Høensko Karlsbader Oblaten und Keramik verkaufen, betrachten die Nazi-CDs mit einer Mischung aus Stirnrunzeln und Schulterzucken. „Geschäft ist Geschäft“, meint eine Frau hinter einem Stand, „ist das wirklich so schlimm?“ ULRIKE BRAUN