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Zerreißprobe in Israel

Autobombe in Jerusalem explodiert. Scharon lehnt Forderungen der Palästinenser ab. Arbeitspartei gespalten. Peres will Minister werden

BERLIN rtr/afp/ap ■ Zwei Tage nach den Wahlen in Israel ist es am gestrigen Nachmittag in einem von ultraorthodoxen Juden bewohnten Stadtteil von Jerusalem zu einer Explosion gekommen, bei der zehn Menschen verletzt wurden. Nach Angaben eines Polizeisprechers habe es überwiegend leichte Verletzungen gegeben. Zu dem Anschlag hatte sich gestern Abend noch niemand bekannt.

Die islamistische Organisation Hamas hatte zuvor die Wahl des Hardliners Ariel Scharon zum Premierminister als Gelegenheit bezeichnet, einen „Heiligen Krieg“ gegen Israel zu beginnen. Die Hamas werde ihre militärischen Operationen weiter eskalieren, solange die israelische Besatzung andauere.

Scharons außenpolitischer Berater Salman Schoval versicherte gestern erneut, Scharon fühle sich an die Verhandlungsergebnisse seines Vorgängers Barak nicht gebunden. Der Berater von Palästinenserpräsident Arafat, Nabil Abu Rudeina, forderte dagegen, die Verhandlungen müssten dort wieder anknüpfen, wo sie im ägyptischen Taba aufgehört hatten.

Ariel Scharon hat am Donnerstag Gespräche zur Regierungsbildung aufgenommen. Er muss sich beeilen: Wenn bis 31. März der Haushalt 2001 die Knesset nicht passiert hat, werden Parlamentswahlen ausgeschrieben. Die Arbeitspartei des unterlegenen Ehud Barak steht angesichts von Scharons Offerten für eine große Koalition vor einer Zerreißprobe. Während Parteilinke wie der amtierende Außenminister Schlomo Ben Ami für den Gang in die Opposition eintreten und Justizminister Jossi Beilin ankündigte, er wolle „alles tun“, um eine Koalition mit dem Likud zu verhindern, zeigt sich der rechte Flügel koalitionsbereit mit dem Argument, man dürfe die Regierung nicht den Ultrarechten und den Orthodoxen überlassen. Da Scharons Likud nur 19 der insgesamt 120 Knesset-Sitze innehat, ist er auf Regierungspartner angewiesen.

Der 77-jährige Schimon Peres lässt keinen Zweifel daran, dass er das Außenministerium annehmen möchte, das Scharon ihm für den Fall einer Koalition anbietet. Nachdem Peres im Dezember erfoglos versucht hatte, sich als Kandidat zum Premierminister aufstellen zu lassen, verbindet ihn tiefer Hass mit dem gescheiterten Ehud Barak, der seinen Parteivorsitz abgegeben und angeraten hat, in die Opposition zurückzukehren. Für den Fall, dass die Arbeitspartei eine Koalition mit dem Likud eingeht, drohten manche Parteilinke bereits mit der Gründung einer neuen Partei.

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