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„Wer definiert, was ‚schwarz‘ ist?“

Spike Lee über seinen neuen Film „Bamboozled“, über rassistische Stereotypen und Blaxploitation: „Schwarze werden immer nur als Witzfiguren besetzt“

Interview HARALD FRICKE und KATJA NICODEMUS

taz: Sie selbst haben fürs Fernsehen Regie geführt, auch die Schauspieler aus „Bamboozled“ sind mit TV-Komödien bekannt geworden. Bei Ihnen führt der Kampf um die Quoten allerdings zu Rassismus. Wieso mögen Sie das Fernsehen nicht?

Spike Lee: Zunächst einmal arbeite ich grundsätzlich nicht für die Art von Fernsehen, die ich in meinem Film angreife. Ich mache keine Sitcoms, ich habe bislang nur für den Kabelsender HBO eine Dokumentation über die Opfer eines Attentats auf eine Kirche gedreht, bei dem 1963 in Birmingham vier Mädchen ums Leben kamen. Das ist mit den Interessen der großen Sender nicht zu vergleichen.

In Ihrem Film wird eine Wut auf die Macht des Fernsehens und dessen Fähigkeit, rassistische Stereotypen zu transportieren, mit unglaublicher Energie in Szene gesetzt. Sie haben gesagt, dass Sie früher solche Filme nicht hätten machen können. Warum?

Weil ich damals noch nicht so gut war. Um diese Kraft auch auf die Leinwand zu bekommen, braucht man die entsprechenden Fähigkeiten als Regisseur. Natürlich habe ich mir die Geschichte nicht aus heiterem Himmel ausgedacht, sondern bis jetzt gewartet, um die Story umzusetzen.

Bei aller Sorgfalt mögen Sie Extreme: In „Bamboozled“ tritt ein schwarzer Komiker mit extrem sexistischen Witzen in einem Nachtclub auf. Wo liegt für Sie der Unterschied, ob sich jemand über Stereotypen lustig macht oder selbst rassistische Statements benutzt, um Lacher zu bekommen?

Das bleibt eine ziemlich komplexe Angelegenheit. So wie ich die Situation beschreibe, geht es darum, ob jemand mit dir lacht oder über dich. Diese Unterscheidung ist mir sehr wichtig.

Für das Ende des Films haben Sie rassistische Bilder aus alten Hollywood-Filmen aneinander gereiht. Ist die negative Darstellung von Schwarzen im Film immer schon Teil des amerikanischen Traums gewesen?

Das ist die Wahrheit, schließlich gab es Sklaverei (lacht), sie hat sich 400 Jahre gehalten und ist immer noch tief verwurzelt in der Entstehung der amerikanischen Gesellschaft. Die Normalität, mit der diese Tatsache hingenommen wurde, ist das eigentlich Erstaunliche an der Entwicklung bis heute. Es ist natürlich einfach, wenn man sich hinstellt und sagt: D. W. Griffith war ein Rassist, als er in seinem Film „Birth of a nation“ Schwarze als Verbrecher darstellte. Es ist aber eine ganz andere Sache, wenn man plötzlich Judy Garland mit schwarz angemaltem Gesicht sieht – denn das kann und darf ja nicht sein, nicht Dorothy im „Zauberer von Oz“. Selbst bei Bugs Bunny gibt es eine solche Episode, die wir gerne im Film benutzt hätten. Aber Warner Brothers haben uns nicht erlaubt, das Material im Film zu zeigen.

Sie haben selbst den Vorwurf bekommen, rassistische Bilder von Schwarzen zu produzieren, weil Sie genau diese Haltung mit Ihrer Satire angreifen wollten.

Ich glaube, da haben einige Medien den Film komplett missverstanden. Für mich ist das einigermaßen amüsant, weil ich das Problem ja gar nicht geschaffen habe. Man kann mich doch nicht beschuldigen, solche Bilder geschaffen zu haben, während ich mir nur überlegt habe, in welcher Form man das Publikum an die Probleme mit rassistischen Zuschreibungen wieder heranführen kann. Es ist nicht damit getan, die entsprechenden Szenen aus Judy Garlands Film herauszuschneiden, als ob das alles nie geschehen wäre.

In einer Szene steht das Publikum Ihrer fiktiven „Minstrel Show“ auf, und vom Italiener bis zur asiatischen Frau bekennen alle: Wir sind Nigger. Ist das lustig oder deprimierend?

Das Publikum, das ist Amerika. Es gab immer diese Art Vernarrtheit in die afroamerikanische Kultur. Da ist zunächst einmal nichts Schlechtes dran. Der Film zeigt allerdings, dass es einen Unterschied gibt zwischen Anerkennung und der Aneignung einer anderen Kultur, um daraus Kapital zu schlagen.

Wie hat sich die Definition davon, was „schwarz“ ist, geändert?

Genau danach fragt „Bamboozled“ – was ist „schwarz“? Wer definiert, was „schwarz“ ist? Ich habe dafür keine Antwort, die kann ich auch gar nicht geben. Es geht um viel zu viele Faktoren, die der Film zumindest wieder ins Spiel bringt.

Dennoch findet Blaxploitation heute vor allem im Comedy-Sektor statt.

Das Problem ist, dass Schwarze immer nur als Witzfiguren besetzt werden. Komplexere Themen der afroamerikanischen Identität werden im Fernsehen ausgeklammert. Stattdessen gibt es dumme Sitcoms, in denen wir als Clowns agieren.

Im Film singt Stevie Wonder an einer Stelle von der Zeit, „when we had more hope than money“. Wie sehen Sie diesen Konflikt?

Stevie Wonder hat damit eine sehr gute Definition davon gegeben, was der Film anspricht. Es gibt einen Unterschied, ob Menschen ihr Geld mit etwas verdienen, was moralisch und auch ethnisch richtig ist, oder ob sie ihre Seele verkaufen.

Sie meinen Integrität?

Mhm, ganz sicher.

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