: Ein rosa Abend mit Dieter Hapel
Die Bezirksreform bescherte dem CDU-Bürgermeister Hapel einen regen Schwulenkiez. Ein Antrittsbesuch
Die Wände sind rosa und rot gestrichen. Omalämpchen, mit altmodischen Stoffen bezogen, geben ein schummriges Licht. Es ist warm, die Oben-ohne-Bedienung soll nicht frieren. Heiko und Jörg tragen enge Jeans und präsentieren durchtrainierte, gebräunte Oberkörper.
Das „Lukiluki“ in der Motzstraße ist Berlins erstes schwules Topless-Restaurant. Ein geeigneter Ort, um bei einem Drei-Gänge-Menü den Bezirksbürgermeister Dieter Hapel (CDU) mit seinem neuen Ortsteil und dessen Besonderheiten bekannt zu machen. Gewählt wurde Hapel als Bürgermeister in Tempelhof. Die Bezirksfusion bescherte ihm Schöneberg und den regen Schwulen- und Lesbenkiez dazu. Am Wochenende saß er im Lukiluki bei Perlhuhn zusammen mit den Herren vom Regenbogenfonds. Der Verein der schwulen Wirte, der das jährliche Motzstraßenfest organisiert, hatte den Bürgermeister eingeladen.
Der Rundgang beginnt in dem schwulen Beratungszentrum Mann-O-Meter, wo er mit Mitarbeitern über Gewaltprävention redet. Dort kommt Hapel schnell in Schwung. Er habe heute schon einige Szene-Ausdrücke, wie „Teddies“ (für dicke Männer) und „Bermudadreieck“ (für den Motzstraßen-Kiez) gelernt, kokettiert er.
Ganz frei von Berührungsängsten ist Hapel jedoch nicht. Im Büro des Regenbogenfonds steht das „Wilde Sofa“, auf dem sich Günther Hoffmann vom Regenbogenfonds auf dem Straßenfest alljährlich mit Gästen zum Promi-Talk niederlässt. Hapel soll es sich auf dem knallroten Sofa gemütlich machen, dessen Rückenlehne an einen Kussmund erinnert. Hapel zögert: „Das ist ein bisschen sehr plüschig.“ Hoffmann kontert: „Was haben Sie von uns erwartet?“
Genauso wenig möchte der Bezirksbürgermeister mit Amanda fotografiert werden. Die charmante Transe mit den wunderbar langen Beinen und blonden Haaren ist die einzige Bedienung im Oben-ohne-Restaurant Lukiluki, die ein Oberteil tragen darf. Amanda scheint ein Auge auf Hapel geworfen zu haben, sie tänzelt mit den Tellern herum und schneidet Grimassen. Immer wenn sie sich Hapel nähert, bringen die Fotografen fast reflexhaft ihre Objektive in Stellung. Vor dem Nachtisch gehen die Lichter aus. Heiko und Jörg richten zwei Taschenlampen auf Amanda, die eine kleine Tanz- und Gesangsshow aufs Parkett wirft. So was hat Hapel offenbar noch nie erlebt. Statt Amandas Show zu bewundern, lächelt er verlegen in die andere Richtung.
Glücklicherweise hat er Carsten Buchholz an seiner Seite. Der junge CDU-Fraktionsvorsitzende fühlt sich wohl im Kiez und muss unbedingt darauf hinweisen, dass eine CDU-Regierung keineswegs bedeute, dass homosexuelle Projekte eingestellt werden. Buchholz hat den Kiez-Besuch des neuen Bezirksbürgermeisters mit auf die Beine gestellt. Gegen 23 Uhr schauen die Regenbogenfonds-Männer mit ihrem Gast kurz im „Eldorado“ rein. Um diese Uhrzeit ist das Lokal noch sehr leer. Der Besitzer versichert, dass in ein paar Stunden hier Trubel sei. Hapel stöhnt: „Dann liegt ein anständiger Mensch doch schon im Bett.“
WIBKE BERGEMANN
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