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Letzte Ansicht Mühlenberger Loch

Ab morgen wird das Biotop an der Elbe für den A380 zerstört. Oberverwaltungsgericht hob Baustopp gestern auf  ■ Von Sven-Michael Veit

Morgen kommen die Bagger und Rammen. 140 Hektar des Mühlenberger Lochs werden mit Spundwänden von der Elbe abgetrennt und aufgeschüttet. Die lautstarke Zerstörung des Süßwasserwatts beginnt an einem Donnerstag.

Gestern hat das Hamburger Oberverwaltungsgericht die Erweiterung des Finkenwerder Airbus-Werkes in das Vogelschutzgebiet hinein erlaubt. Es hob in vier Fällen den Baustopp auf, den KlägerInnen im Dezember und Januar vor dem Verwaltungsgericht (VG) mit einstweiligen Verfügungen erwirkt hatten. In einer „Interessenabwägung“ gelangt das Gericht zu der Auffassung, die Nachteile eines andauernden Baustopps für die Stadt und für Airbus seien größer als die Nachteile der KlägerInnen durch den Bau.

Dabei lässt das OVG alle Rechtsfragen offen, die in erster Instanz (siehe Text unten rechts) den Baustopp begründet hatten. Ob das Vorhaben gemeinnützig oder privatnützig sei, so das OVG, könne in einem späteren Hauptverfahren entschieden werden. Bei anerkannter Gemeinnützigkeit hätten die KlägerInnen „entstehende Beeinträchtigungen durch Fluglärm hinzunehmen“. Sie könnten „durch Lärmschutzmaßnahmen auf Kosten des Unternehmens geschützt werden und eventuell eine Geldentschädigung verlangen“. Dies sei aber auch im Falle der Privatnützigkeit des Vorhabens „möglich“. Die Zweifel an der Flugsicherheit, die das VG geäußert hatte, vermag die Beschwerdeinstanz nicht zu teilen. Sie geht schlicht davon aus, „dass entsprechende Regelungen möglich sind, die Sicherheit bieten“.

Vollkommen ausgeklammert wird die Frage, ob die Hamburger Planungen gegen europäisches Naturschutzrecht verstoßen und somit nichtig sind. Dies sei eine Frage, die im vorliegenden Eilverfahren nicht zu überprüfen sei, „weil weder das deutsche noch das europäische Recht den Klägern hier Rechte verleiht, die sie gerichtlich geltend machen können“.

Deshalb sei auch die Tatsache nicht zu berücksichtigen, die das OVG durchaus nicht verkennt, dass durch die Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs eine „naturschutzrechtlich bedeutsame Fläche endgültig verloren“ gehe. Denn wo keine Klagen zugelassen werden, gibt es demzufolge auch nichts zu richten.

Wirtschaftssenator Thomas Mirow kündigte daraufhin flugs für morgen den Baubeginn im Mühlenberger Loch an. Auch die Umsetzung der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen, die den aus dem Mühlenberger Loch zu vertreibenden Wasservögeln als Ersatzflächen angeboten werden sollen, könne nunmehr beginnen. Auf der Elbinsel Hahnöfersand, die zu zwei Dritteln geflutet werden soll, werde mit der Rodung der Bäume begonnen, desgleichen in der Haseldorfer Marsch.

Innerhalb eines halben Jahres, bis zum 31. Oktober, muss das Mühlenberger Loch auf Kosten der Stadt in Höhe von 1,15 Milliarden Mark so weit als Bauland hergerichtet sein, dass Airbus mit der Errichtung von Werkshallen beginnen kann. Dieses ist der späteste Termin, den der Konzern akzeptieren mochte. Anderenfalls, so hatte Airbus von Gericht und Hamburger Senat Planungssicherheit angemahnt, würde der gesamte A380-Auftrag an das Werk im südfranzösischen Toulouse vergeben und Hamburg leer ausgehen.

Daraufhin hatte sich eine „Allianz für den A380“ gebildet, in der unter Führung der Handelskammer sich Industrie- und Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Airbus-Betriebsrat, SozialdemokratInnen und nahezu alle Hamburger Medien – mit Ausnahme einzig der taz – versammelten. In einer für Hamburg bislang beispiellosen Kam-pagne warb sie mit Zeitungsanzeigen, Presseerklärungen und einer Demonstration für das „Jahrhundertprojekt A380“, von dem „das Überleben des Wirtschaftsstandorts Hamburg abhängig“ sei. Und bestritt vehement, das OVG damit unter Druck setzen zu wollen. Wen denn sonst, erklärte sie nie.

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