: „Rassismus ist gegen Gottes Gebot“
Die islamistische Milli Görüs buhlt mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit um gesellschaftliche Akzeptanz
KÖLN taz ■ Die Einladung klang viel versprechend. Seit dem vergangenen Sommer habe „das deutsche politische Establishment das Thema Fremdenfeindlichkeit entdeckt“, doch sei dies bisher „weitgehend eine Diskussion ohne die Hauptbetroffenen“. Mit diesen Worten lud die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) am Wochenende zu einem Symposium „Fremdenfeindlichkeit in Deutschland“ nach Köln ein.
Obgleich nur wenige Zuhörer den Weg in die Milli-Görüs-Zentrale fanden, war die Tagung für die Veranstalter ein Erfolg. Denn erstmals gelang es der islamistischen Organisation, der bis heute das Kainsmal „Beobachtung durch den Verfassungsschutz“ anhängt, so viele Vertreter wichtiger gesellschaftlicher Gruppen als Referenten zu gewinnen. Neben den Pfarrern Heinrich Kahlert, Islambeauftragter der evangelischen Kirche in Bremen, und Wolfgang Jungheim von Pax Christi saß auch der grüne Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag Jamal Karsli auf dem Podium. Gemeinsam mit Hasan Özdogan, Vorsitzende des von der IGMG dominierten Islamrats und dem IGMG-Generalsekretär Mehmet Sabri Erbakan. Kontroversen gab es nicht. Und Pfarrer Heinrich Kahlert betonte: „Als Muslime und Christen sind wir uns einig: Rassismus ist gegen Gottes Gebot.“
Doch nicht alle angekündigten Referenten waren dann auch wirklich gekommen. Risham Hammad von der Action Courage – SOS Rassismus hatte wegen gesundheitlicher Problemen abgesagt, der Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch, ließ sich vertreten.
Einzig der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Einladung ausgeschlagen. Über die Gründe schweigt sich Erhard Brunn, bis vor kurzem für den Deutschen Entwicklungsdienst tätig und heute Öffentlichkeitsarbeiter bei Milli Görüs, aus. Milli Görüs und ihr Gründungsvater Necmettin Erbakan sind in der Vergangenheit immer wieder durch antisemitische Ausfälle aufgefallen. So verkündete Erbakan noch in den 90er-Jahren: „Der Zionismus ist ein Glaube und eine Ideologie, dessen Zentrum sich bei den Banken der New Yorker Wall Street befindet. Sie gehen davon aus, dass es ihre Aufgabe ist, die Welt zu beherrschen.“ Heute bemüht sich die IGMG, antisemitische Äußerungen zu vermeiden.
Jamal Karsli erklärte seine Teilnahme an dem Symposium: Trotz aller Probleme, die auch er mit Milli Görüs habe, dürfe man der Diskussion mit dieser Organisation nicht ausweichen, schließlich sei sie nun mal die zweitgrößte islamische Organisation in der Bundesrepublik. Karsli warb für ein neues Integrationskonzept seiner Fraktion. Darin fordern die NRW-Grünen einen eigenständigen Islamunterricht in deutscher Sprache und die Einrichtung „mindestens eines Lehrstuhls für islamische Religionspädagogik an einer Universität unseres Landes“.
Milli Görüs versucht weiter einen Imagewechsel, weg von der auf die Türkei orientierten Islamistenorganisation hin zur Interessenvertretung der in Deutschland lebenden Muslimen. Mehmet Erbakan betonte, die Integration des Islam sei das „Kernthema der Integration“. Dabei gehe es ihm vor allem um die Bewahrung der „islamischen Identität“ nicht um eine Gettobildung. Erbakan hat inzwischen Strafanzeige gegen die taz gestellt, da sie mit einem satirischen Text auf der Wahrheitseite die Muslime beleidigt habe.
PASCAL BEUCKER
siehe auch intertaz, SEITE 15
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