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„Was passiert da mit mir?“

Jan Fitschen wollte sich nur für die Hallen-WM qualifizieren, wurde aber gesperrt, weil der Fall Dieter Baumann bei den Deutschen Meisterschaften mit ihm an den Start ging

Herr Fitschen, heute schon trainiert?

Heute Morgen. Jetzt schau ich gerade Videotext, um zu checken, wie die Dinge stehen.

Und wie stehen die?

Der DLV hat beantragt, die Sperre zu verschieben, so dass eine Teilnahme an den Deutschen-Crossmeisterschaften am Wochenende möglich wäre. Soweit ich weiß, soll die Sperre bis zur nächsten Tagung der IAAF aufgehoben werden – also bis zur Hallen-EM in Lissabon Anfang März.

Sie beziehen Ihre Informationen derzeit aus zweiter Hand?

Der DLV steht mit den Vereinsvertretern in Verbindung. Über den Verein, den SV Wattenscheid, bekomme ich dann meine Informationen. Und ich hab mir heute haufenweise Tageszeitungen besorgt, um durchzusteigen.

Ist Ohnmacht das Gefühl, das Sie momentan bewegt?

Doch, etwas. Das beschreibt es ganz gut.

Sie wirken aber ziemlich gefasst.

Was soll man machen? Ich hoffe halt, dass es noch zu einem guten Ergebnis kommt. Ich zieh mein Training voll durch. Ich bereite mich auf die Hallen-WM vor. Tja, man kann eigentlich nur hoffen.

Wussten Sie, dass Sie als Teilnehmer des Laufs mit Dieter Baumann gesperrt werden?

Ich wusste nur, dass diese Möglichkeit für alle Teilnehmer der Deutschen Meisterschaften besteht. Dass es nur die 3.000-Meter-Läufer treffen würde, ist mir nicht klar gewesen.

Sie waren überzeugt, dass die IAAF nicht über 700 Athleten sperren würde, wähnten sich also sicher?

Genau.

Der DLV hat nicht noch einmal gesondert auf die Gefahr hingewiesen?

Ich habe das Schreiben des DLV gar nicht selbst in die Hand bekommen, aber drinnen stand wohl nur, dass alle gesperrt werden könnten. Außerdem wurde der Präzedenzfall Butch Reynolds angeführt, wo es ja auch nicht zu einer Sperre der Mitläufer gekommen ist.

Sehen Sie Ihre Sportkarriere nun gefährdet?

Das kommt darauf an, wie lange die Sperre tatsächlich dauert. Wenn es nur ein kurzer Zeitraum ist, dann muss ich wohl damit leben. Wenn sie aber noch die ganze Freiluftsaison dauert, dann wäre es eine Riesensauerei.

Momentan sind die Fronten verhärtet zwischen IAAF und deutschem Verband.

Ich weiß nicht. Gerüchteweise geistert herum, dass die Sperre nur drei Monate dauern soll. So müsste ich nur die Hallen-WM absagen. Über die Teilnahme daran habe ich mich riesig gefreut.

Welche finanziellen Einbußen kämen auf Sie zu?

Viel verdiene ich mit dem Sport nicht. Ich bin absoluter Amateur, hauptsächlich Student. Ich kriege nur eine Unkostenerstattung.

Sie wurden unfreiwillig Teil des Falls Baumann.

Schon. Nur sehe ich nicht das Problem bei Herrn Baumann, sondern darin, dass sich DLV und IAAF nicht einigen konnten.

Ein Machtkampf?

Das weiß ich nicht.

Sie sind das schwächste Glied.

Man steht wirklich da und fragt sich: Was passiert da mit mir, was machen da irgendwelche Leute mit mir?

Auch Dieter Baumann? Sind Sie sauer auf ihn?

Nein, auf den am wenigsten. Er ist freigesprochen worden von einem Gericht, hat die Erlaubnis bekommen, zu starten. Der kämpft für seine Rechte. Das muss man akzeptieren.

Verstehen Sie, was da vor sich geht?

Vieles nicht. Ich kann verstehen, dass Dieter Baumann weiter kämpft, das muss er auch. Aber dieses ewige Heckmeck zwischen IAAF, DLV und normalen Gerichten ist sehr verwirrend.

Warum ist es diesmal anders als bei Butch Reynolds?

Das möchte ich auch gern wissen. Damals ging es bei den US-Trials um die Olympiaqualifikation. Aber für mich ist die Situation doch genau dieselbe: Es war die einzige Möglichkeit, mich für die Hallen-WM zu qualifizieren.

INTERVIEW: MARKUS VÖLKER

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