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Schöne, heile Welt im neuen Berlin

Mit der Neubebauung rund um das Tacheles in Berlin-Mitte soll in Berlin das erste Projekt des New Urbanism entstehen. Die Architekten Duany und Plater-Zyberk entwarfen auch den amerikanischen Badeort Seaside, die Kulisse für die bösartige Satire „Truman Show“

von TINA VEIHELMANN

„Blühende Landschaften“ steht auf ein Metallschild gepinselt. Das Schild benennt eine Freiluftgalerie im Tachelesgarten in Berlin-Mitte. Es liest sich wie eine bittere Ironie auf die Szenerie. Die Schrottskulpturen sind mit Baugittern umzäunt, das Gelände wirkt ausgestorben, nur ein paar behelmte Bauarbeiter sind unterwegs.

Für die Freifläche hinter dem legendären Kunsthaus an der Oranienburger Straße scheinen die Tage nun gezählt zu sein. In dieser Woche hat die Eigentümerin des Areals, die Kölner Firma Fundus dem Bezirk einen städtebaulichen Masterplan vorgelegt. Dem Plan zufolge soll der berühmte Skulpturengarten fast flächendeckend überbaut werden. Eine vorläufige Vision der künftigen Architektur wurde gleich mitgeliefert.

7- bis 8-geschossige Prachtbauten mit Erkern, Türmen und Gesimsen, mit Innenhöfen, Sträßchen und Plätzen sollen hier steinerne Wirklichkeit werden, samt Einkaufszentrum und Tiefgaragen. Ein Zugang soll über die Friedrichstraße in zwei aufeinanderfolgende Höfe führen, an die sich ein zentraler „städtische Platz“ anschließt.

So würde eine Bummelmeile mit Läden und Cafés entstehen, ähnlich wie in den Hackeschen Höfen. Die oberen Etagen sollen Büros und gehobene Wohndomizile beherbergen. Über der Hofdurchfahrt zur Friedrichstraße und auf einem Wohnblock an der Johannisstraße sieht der Entwurf bis zu 40 Meter hohe Türmchen für Penthauswohnungen vor. Außerdem ist ein Luxushotel geplant. Der Wohnanteil soll bei knapp unter 25 Prozent liegen.

Für den Plan hat Anno August Jagdfeld, Chef der Fundusgruppe, das Büro Duany Plater-Zyberk beauftragt. Andres Duany kommt aus Miami und gilt als Prominenz des amerikanischen „New Urbanism“. In den USA gibt es seit den 80er-Jahren, hauptsächlich bei der weißen Mittelschicht, eine neue Sehnsucht nach der traditionellen Stadt. Duany und seine Partner haben unter anderem den neoviktorianischen Badeort Seaside entworfen, der als Filmkulisse für die Truman Show bekannt wurde. Die Inszenierung des „Städtischen“ auf eigens dafür angelegten Plätzen und eine nachempfundene tradierte Bauweise zeichnen den New Urbanism aus. Dieses Konzept soll nun nach Berlin importiert werden: ausgerechnet auf die Freifläche hinter dem Tacheles.

Bisher war der Skulpturengarten ein magischer Anziehungspunkt nicht nur für Berlintouristen. Im Sommer kamen hierher am Tag bis zu 4.000 Menschen und man hörte fast so viele Fremdsprachen wie Deutsch. Besucher konnten den wildwüchsigen Platz für sich entdecken. Noch vor geraumer Zeit diskutierte man, ob durch das „Ei des Tacheles“ die Freifläche als städtischer Raum preisgegeben würde. Für den Stadtsoziologen Hartmut Häußermann galt er als symbolischer Ort, an dem in Berlin der Kampf um den öffentlichen Raum ausgetragen wird.

Eine kontroverse Diskussion um das erste New-Urbanism-Projekt in Berlin blieb bislang allerdings aus. Für das Tacheles ist weniger die Inszenierung eines Stadtraums als vielmehr die eigene Existenz entscheidend. „Das Tacheles wird nicht integriert, sondern an den Rand gedrängt“, kritisiert Henning Gruner vom Vorstand des Kunstvereins. Und von der Freifläche bleibe nur noch ein kleiner Platz übrig. Die Tacheleskünstler verlangen deshalb, dass ein Gebäudeteil zurückgenommen wird, der nach dem aktuellen Entwurf direkt an das Kunsthaus andockt. Ohne die Zustimmung der Tacheleskünstler soll es keinen Bebauungsplan geben. Allerdings ist der Verein Mieter bei Fundus und damit von deren Wohlwollen abhängig.

Aber auch der grünen Baustadträtin des Hauptstadtbezirks Mitte, Dorothee Dubrau, geht es weniger um die Problematik halböffentlicher Räume inmitten des Geländes als um Nachbesserungen bezüglich der Höhen und Abstandsflächen sowie einen weit größeren Wohnanteil. Fundamentale Einwände äußerte lediglich der frühere Baustadtrat Thomas Flierl (PDS). Man dürfe an dieser Stelle nicht nur über Planungsrecht reden. Eine grundsätzliche stadtkulturelle Diskussion um den Entwurf sei unerlässlich.

Noch ist allerdings nichts entschieden. Bevor das erste Projekt des New Urbanism in Berlin verwirklicht wird, müssen die Pläne noch einmal überarbeitet werden. Auch Stararchitekten müssen manchmal nachsitzen.

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