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Nach alter Bauern Art

Im Landwirtschaftsministerium wird weitergearbeitet wie bisher. Doch die Reform soll schon noch kommen

von REINER METZGER

Am 10. Januar berief der Bundeskanzler Renate Künast zur neuen Landwirtschaftsministerin. Das Ministerium war verschrien als die große Bastion der althergebrachten Landwirtschaft, des Immer-mehr-und-billiger-Produzierens, auf Kosten von Steuerzahlern und Umwelt. Am 22. Januar schuf der Kanzler offiziell per „Organisationserlass“ das neue Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und – ganz zum Schluss – Landwirtschaft. Mit der grünen Ministerin und zwei neuen Staatssekretären der gleichen Partei würde das Große Aufräumen unter den politischen – also abschiebbaren – Beamten beginnen, so die Hoffnung von Umweltschützern und alternativen Experten.

Außer Lyrik nichts gewesen

Davon ist bis heute nichts zu spüren, im Gegenteil: Jüngst bei einem Treffen von Agrarbeamten aus Bundes- und Landesministerien ließen die Bonner und Berliner durchblicken, dass sich wohl kaum etwas ändern wird in der Agrarpolitik. „Außer neuer Lyrik im Verbraucherschutz tut sich nicht viel“, soll ein Bundesbeamter bemerkt haben. Die Ministerialen wundern sich selbst: Entgegen ersten Meldungen vom Januar (siehe auch taz vom 29. Januar) wurde und wird kein einziger Abteilungsleiter ausgetauscht. Erst im Herbst, nachdem Jürgen Detken, Chef der Abteilung 6, zuständig für EU- und internationale Agrarpolitik, in den Ruhestand geht, soll eventuell ein Neuer in die Riege der Ministerialdirektoren oder -dirigenten aufgenommen werden.

Bis zum Herbst dürfte jedoch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema längst wieder abgeflaut sein – schließlich ist nicht wie derzeit jeden Monat mit einer neuen europaweiten Tierseuche zu rechnen. Dann werden die drei einsamen Grünen im Ministerium ohne großen Rückhalt mit der Agrarlobby ringen müssen. Und auch ohne Rückhalt im eigenen Ministerium. Wenn nicht einmal in den oberen Etagen der Behörde etwas verändert wird, wie soll das „neue Denken“ dann erst nach unten zu den Sachbearbeitern gelangen? Darauf gibt es bisher keine Antwort aus dem Hause Künast.

Der alte Strippenzieher

Der bisherige starke Mann des Ministeriums, SPD-Staatssekretär Martin Wille, schaltet jedenfalls weiterhin nach Belieben – schließlich ist er im Gegensatz zu den neu hinzugekommenen Grünen – neben Künast die Staatssekretäre Matthias Berninger und Alexander Müller – seit Jahrzehnten Agrarspezialist und fest in der Logik der modernen EU-Subventionslandwirtschaft verwurzelt.

Auch alternativen Rat von Außen haben Künast & Co bisher anscheinend kaum gesucht. Anstatt mit Unabhängigen Konzepte zu erarbeiten, wollen sie das etablierte Agrargeflecht nicht gegen sich aufbringen und hoffen auf dessen Kooperation. „Unsere großen Erwartungen an das neue Ministerium wurden etwas enttäuscht“, so Jochen Dettmer, Geschäftsführer des Deutschen Bauernbunds. „Mit denen, die eine Agrarreform mittragen müssen und wollen, wurde bisher nicht geredet.“ Der Verband kritisiert, dass durch die bisherige hohe Subvention der Produktionsmenge statt der -qualität die LPG-Nachfolger Ostdeutschlands hohe Summen aus Brüssel kassieren. Derzeit wundert sich der Bauernbund, dass es für ihn nicht einmal einen Termin bei Renate Künast gibt.

Die umgarnte Ministerin

„Der Bauernverband und Herr Sonnleitner haben versucht, die Ministerin so sehr zu umgarnen, dass niemand anderes rankommt“, meint Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Er ist einer der Vorstände der Bauernverbands-Konkurrenz Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und für die Grünen Mitglied des Europaparlaments. Die AbL fordert schon seit Jahren eine andere Förderpolitik, bei der die Zahl der eingesetzten Arbeitskräfte, der Umweltschutz und die regionale Qualitätsvermarktung eine größere Rolle spielt als die schiere Produktionsmenge.

Am vergangenen Freitag sprach die Ministerin immerhin erstmals seit Amtsantritt mit Vertretern der AbL. Und hat Eindruck hinterlassen: „Frau Künast ist offen für eine neue Politik und will sich von den alten Strukturen nicht überrollen lassen“, so Graefe zu Baringdorf nach dem Treffen. „Sie will sich in das für sie neue landwirtschaftliche Gebiet reinbeißen.“ So habe sie schnell begriffen, dass in der EU-Agrarpolitik Fortschritte nur mit der Kommission und dem EU-Parlament, nicht aber mit Koalitionen der Minister aus den einzelnen Ländern zu erwarten seien – denn die wollen meist nur mehr Geld für ihre heimischen Bauern herausschlagen. Angesichts dessen ist für Baringdorf – und er denkt, inzwischen auch für die Ministerin – klar: „Es geht nicht um eine schnelle Revolution, sondern um eine gute und schrittweise Vorbereitung auf die nächste Agrarreform.“ Die Überprüfung der Subventions-bestimmenden Agenda 2000 allerdings läuft bis 2002 – und bis kommenden Februar ist auch Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich, dem wichtigsten Agrarstaat der EU. Politisches Geschick ist bis dahin wahrlich gefragt.

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