: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich
■ Militante Neonazis entscheiden offenkundig Machtkampf bei der NPD im Norden
Die vom Verbot bedrohte rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) kapituliert im Norden offenkundig vor den militanten „Freien Nationalisten“ um den Hamburger Neonazi Christian Worch. Vor zwei Wochen ist der wegen versuchter Tötungsdelikte vorbestrafte Kieler Neonazi Peter Borchert, ein Vasall Worchs, auf einem außerordentlichen Parteitag zum NPD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein gewählt worden. Bestrebungen der Bundespartei, Borchert wieder abzusetzen, gibt es bislang nicht. NPD-Bundessprecher Klaus Beier zur taz hamburg: „Ein Ausschlussverfahren kann ich nicht bestätigen.“
Noch im Oktober hatte der NPD-Bundesvorstand die Abwahl ihres langjährigen Landesvorsitzenden Ingo Stawitz durch Worchs Leute abgewehrt, indem der Bundesvorstand den Landesverband zum „Notstandstandsgebiet“ erklärte und Ausschlussverfahren gegen die gewählten Nationalisten einleitete. Unter den Gewählten war auch damals bereits Peter Borchert. Stawitz, der zwischenzeitlich auch für die Deutsche Volksunion DVU als Spitzenkandidat für die vergangene Landtagswahl aufgetreten war, gilt in militanten Neonazikreisen als zu lasch. Inzwischen jedoch kann die NPD das Dilemma, dass sie die militanten Geister, die sie vor Jahren an sich binden wollte, nicht mehr los wird, offenbar nicht mehr beherrschen. Wenn die NPD nun gegen Worch und seine Gefolgschaft vorgehen würde, könnte dies zur Zerreißprobe innerhalb der rechten Szene im Norden führen.
Dass der Durchmarsch bei der rechtsradikalen NPD in Schleswig-Holstein so gut geklappt hat, ist nicht erstaunlich. Schon lange strömten Naziskins mit Duldung der NPD zu den Nationaldemokraten, um den Partei-Status bei Demos und Konzerten für sich zu nutzen. Auch geht die Mordkampagne gegen den Elmshorner IG Metall-Chef Uwe Zabel im vorigen Jahr eindeutig auf das Konto militanter NPD-Rechter. Die werden auch für den Angriff auf einen Schwarzafrikaner in Barmstedt im Herbst und den Überfall auf eine Schülerfete mit einer Rock gegen Rechts-Band in Bönnigstedt (beides Kreis Pinneberg) vor einem Monat verantwortlich gemacht. Die Täter gehören offiziell allesamt der NPD oder ihrer Nachwuchs-Organisation, den „Junge Nationaldemokraten“, an, doch den Sicherheitsbehörden im Norden ist längst bekannt, dass diese Kräfte dem Umfeld der Kameradschaften – nach dem Vorbild des inzwischen verbotenen „Hamburger Sturms“ ausgerichtet – zuzurechnen sind. Kameradschaftsführer des „Pinneberger Sturms“ ist Christian Worchs Gefolgsmann Klemens Otto.
Peter Müller/Andreas Speit
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