: Die Truppe liegt im rechten Trend
196 rechtsextremistische Vorfälle bei der Bundeswehr – deutlich mehr als im Vorjahr. Für das Verteidigungsministerium kein Grund zur Sorge. Die Soldaten seien nicht schlimmer als der Rest der Bevölkerung und sicher „nicht auf dem Weg nach rechts“
von LUKAS WALLRAFF
Die Zahlen sind bereits durchgesickert, nun darf man auf den Kommentar des Wehrbeauftragten gespannt sein. Wie das Bundesverteidigungsministerium am Wochenende bestätigte, haben die rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Vorkommnisse bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr um rund 45 Prozent zugenommen. Dies geht aus dem Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestags hervor, den der neue Amtsinhaber Willfried Penner (SPD) morgen offiziell vorstellen wird.
Penner hatte noch vor kurzem gesagt, die Bundeswehr sei gegen Rechtsextremismus „gut gewappnet“, weil sie „in den Grundwerten der Verfassung lebendig verwurzelt“ sei. Die Statistik lässt andere Schlüsse zu: Laut Angaben des Verteidigungsministeriums wurden im Jahr 2000 insgesamt 196 rechte Verdachtsfälle gemeldet. Davon waren 185 so genannte Propagandadelikte (im Vorjahr 132). In elf Fällen wurden fremdenfeindliche Gewalttaten angezeigt (im Vorjahr drei).
Einem Obergefreiten wird vorgeworfen, volltrunken einen farbigen Gefreiten geschlagen und als „Kokosnusspflücker“ beschimpft zu haben. Der Mann soll gesagt haben: „Du gehörst wie die Kanaken und Türken an die Wand gestellt und durch Genickschuss erschossen – wie zu Adolfs Zeiten.“ Gegen den Obergefreiten werde ermittelt, teilte die Hardthöhe mit. Er sei aus dem Dienst entlassen worden.
Der Anstieg der Verdachtsfälle im vergangenen Jahr sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass 1998 noch über 300 Fälle gemeldet wurden, betonte ein Sprecher des Ministeriums: „Wir bewegen uns von 1998 aus gesehen immer noch abwärts.“ Auch spiegele der Anstieg der Verdachtsfälle in der Bundeswehr die Zunahme in der allgemeinen Extremismusstatistik wider. Die Gesamtzahl der gemeldeten rechtsextremistischen Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf fast 16.000 gestiegen – eine Steigerung um fast 60 Prozent, die Innenminister Otto Schily (SPD) vor einer Woche auch auf die erhöhte Anzeigebereitschaft und die größere Aufmerksamkeit der Behörden zurückführte.
Ein Sprecher der Hardthöhe versicherte am Wochenende, die Bundeswehr befinde sich „nicht auf dem Weg nach rechts“. Nach einer vom Verteidigungsministerium in Auftrag gegebenen Umfrage vom Februar neigen allerdings 16 Prozent der potenziellen Freiwilligen rechtsextremen Parteien zu – deutlich mehr als 1999 (12 Prozent).
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