: „Es könnte zu Neuwahlen kommen“
SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit über die Folgen der CDU-Spendenaffäre für die Zukunft der großen Koalition
taz: Herr Wowereit, sehen Sie die große Koalition angesichts der CDU-Spendenaffäre bedroht?
Klaus Wowereit: Wir sind in einer schwierigen Situation. Durch die Weigerung von Klaus Landowsky, als Fraktionschef zurückzutreten, und die Unentschiedenheit von CDU-Chef Eberhard Diepgen ist die CDU-Fraktion handlungsunfähig geworden. Das erschwert die Sacharbeit.
Inzwischen schließen sie selbst Neuwahlen nicht mehr aus . . .
Die Stadt befindet sich in einer schwierigen Lage. Wir müssen im laufenden Haushalt rund eine Milliarde Mark zusätzlich einsparen. Das geht nur, wenn beide Regierungsfraktionen voll hinter dem Senat stehen und schwere Entscheidungen durchsetzen können. Dies ist bei der CDU erkennbar nicht der Fall. Damit droht der Senat handlungsunfähig werden; aus dieser Situation muss ein Ausweg gefunden werden. Da könnte es auch zu Neuwahlen kommen.
Dazu fehlen Ihnen die CDU-Stimmen im Parlament . . .
Für den theoretischen Fall der Neuwahlen, die wir nicht wollen, ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Dies geht nicht ohne die CDU. Wenn die Christdemokraten sich verweigerten, müsste man über ein Misstrauensvotum gegen den Regierenden Bürgermeister eine Situation herbeiführen, in der die CDU nicht Nein sagen kann.
Wann könnte es so weit sein?
Ich denke, dass Diepgen seiner Verantwortung gerecht wird. Die SPD hat eine Koalition mit der CDU abgeschlossen, nicht mit Herrn Landowsky. Herr Diepgen ist dafür verantwortlich, dass wir wieder zur Sacharbeit kommen.
Wie viel Zeit geben Sie Herrn Diepgen dafür?
Jeder Tag, der das Beharrungsvermögen von Herrn Landowsky unterstützt, ist ein vertaner Tag. Die Sacharbeit leidet darunter, das haben wir auf der letzten Parlamentssitzung gesehen. Da wurde nur über die CDU-Spendenaffäre und Herrn Landowsky diskutiert. Das ist ein unerträglicher Zustand, er sollte so schnell wie möglich beendet werden.
Gibt es Alternativen zur großen Koalition?
Die SPD steht zur Koalition, aber nicht um jeden Preis. Wenn die Koalition handlungsunfähig wird, wären Neuwahlen der richtige Weg. Die Diskussion um andere Koalitionen steht insofern nicht auf der Tagesordnung.
INTERVIEW: RICHARD ROTHER
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