: Freie Fahrt für Chanel
■ Kampfhunde durften am Wochenende ungehindert den HVV benutzen – trotz des ausgesprochenen Transportverbotes Von Kai von Appen
Das Ziel war klar: An sich wollten die TierrechtlerInnen der Öffentlichkeit demonstrieren, welchen SchikanenHundehalter in Hamburgs Bussen und Bahnen ausgesetzt sind, weil sie einen Kampfhund der so genannten „Kategorie I“ haben – oder der HVV-Mensch einfach glaubt, dass es so einer ist. Offenkundig waren am Einkaufswochenende jedoch nur tierfreundliche HVV-MitarbeiterInnen im Einsatz – zu der erwarteten und sogar gewollten Konfrontation kam es überhaupt nicht. Ungehindert konnten Kampfhunde durch die City gondeln.
Seitdem der rot-grüne Senat im vorigen Jahr nach den tödlichen Pittbull-Bissen von Wilhelmsburg die neue Hundeverordnung durchgepeitscht hat, gilt in Hamburger Bussen und Bahnen des HVV für die „Kategorie I“-Rassen ein Transportverbot. Im Klartext: Pittbulls, American Staffordshire-Terrier und Bullterrier nebst ihren HalterInnen werden nicht mitgenommen, egal, ob der Hund einen Maulkorb trägt oder als ungefährlich geprüft wurde. Und da viele die Hunde nicht auseinanderhalten können, sind auch BesitzerInnen anderer Rassen dem Mitfahrverbot durch einzelne obereifrige HVV-MitarbeiterInnen ausgesetzt.
Doch bei der Probe aufs Exempel am Wochenende wollte niemand vom HVV von der Verbotsanordnung etwas gewusst haben. Schon als zwei AktivistInnen der Gruppe „Die Tierbefreier“ den Bus der Linie 108 am Hauptbahnhof besteigen, kommt kein Erstaunen beim Personal auf: „Ich hab' kein Problem damit“, sagt der Fahrer und will die American Staffortshire Hündin „Chanel“ und ihren Begleiter, einen Pittbull-Mischling ohne Maulkorb passieren lassen. Ebenso sein Kollege, der wenig später vorfährt.
Also nächster Härtetest: Aber auch den Zugabfertiger auf dem S-Bahnsteig am Hauptbahnhof stört die Ansammlung der Hunde aller Kategorien – von Schäferhund über Labrador bis zu Staffordshire – nicht. Als ihn Tierheimchef Wolfgang Poggendorf zum Einschreiten „provozieren“ will, murmelt der nur etwas vor sich hin: „Ich muss dringend pinkeln gehen.“ Der Zug samt Vierbeinern rollt Richtung Altona.
Auf der Fahrt werden im Nachbarwaggon Securitas-Angestellte der S-Bahnwache – die ansonsten nicht gerade als sensibel und zimperlich gelten – auf die Hunde aufmerksam. Doch die Mannen steigen einfach aus, geben zwar über Funk Alarm, aber es tut sich nichts. Und auch im Bahnhof Altona herrscht für Hunde heute Tag der offenen Tür – niemand regt sich auf, niemanden stört es.
Auf dem Rückweg treffen die Schwarzen Sheriffs an der Hols-tenstraße wieder auf „Chanel“ und ihr Frauchen Angelika Jones. „Wenn man als Frau alleine unterwegs sind, fühlen die sich besonders stark,“ sagt die Halterin und hofft insgeheim auf den Eklat. Ihre Begleiter machen sich schon mal zum Eingreifen bereit. Ein kurzer Blick in die Augen der Stafford-shire-Hündin – und die Männer in den blauen Uniformen drehen auf dem Absatz um und nehmen flugs den Zug in die Gegenrichtung. An diesem Tag ist beim besten Willen kein Zoff zu bekommen. Selbst in der Wandelhalle kann „Chanel“ ungehindert mit Passanten toben und sich streicheln lassen, die Schwarzen Bahnhofs-Sheriff beäugen alles nur aus der Distanz.
Fazit der TierrechtlerInnen: Der HVV muss seine Anordnung revidiert und das Fahrverbot aufgehoben haben, oder beim HVV sind an diesem Wochenende alle auf den Hund gekommen...
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