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Kurzer Prozesstag

Verteidigung erreicht Vertagung des Verfahrens gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Revolutionären Zellen

BERLIN taz ■ Uniformierte Polizeibeamte vor dem Moabiter Gerichtsgebäude, eine Sicherheitsschleuse für Besucher, Verteidiger und Journalisten mitsamt penibler Untersuchung von Tascheninhalten und Kleidung sowie der obligatorische Hochsicherheitssaal: Beim Prozessauftakt gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Revolutionären Zellen (RZ) wurde gestern kaum ein Klischee ausgelassen, um das Bild eines hochkarätigen „Terroristen-Prozesses“ zu beschwören.

Den Angeklagten Matthias Borgmann, Sabine Eckle, Harald Glöde und Axel Haug wirft die Bundesanwaltschaft vor, von 1986 bis 1991 an militanten Aktionen zweier Berliner RZ-Gruppen beteiligt gewesen zu sein – darunter Sprengstoffanschläge auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber und die Siegessäule. Nach Ansicht der Verteidigung stützt sich die Bundesanwaltschaft im Wesentlichen auf Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli, der im Dezember für seine Aussagebereitschaft mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und der Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamts belohnt wurde.

Zu einer Verlesung der rund 116-seitigen Anklageschrift kam es gestern nicht: Nach zwei Stunden vertagte das Gericht den Prozess bis zum nächsten Donnerstag. Der Grund: Die Verteidigung hatte Unterlagen für eine Rüge der Zusammensetzung der Ersatzrichterbank nicht vollständig erhalten. Auch über die Verhandlungsfähigkeit der 53-jährigen Angeklagten Sabine Eckle, die an schwerer Migräne leidet, müssen die Richter in der nächsten Woche befinden. Zwei weitere Beschuldigte mussten gestern nicht erscheinen: Mitte Mai wird ein kanadisches Gericht über die Auslieferung von Lothar Eble entscheiden. Auch zum Antrag der Ankläger, dem ebenfalls von Tarek Mousli belasteten Rudolf Schindler doch noch in Berlin den Prozess zu machen, hat sich der Bundesgerichtshof noch nicht geäußert. Schindler wurde vor kurzem vom Vorwurf freigesprochen, am Überfall auf die Wiener Opec-Konferenz beteiligt gewesen zu sein, und auf freien Fuß gesetzt.

Massive Kritik übte eine siebenköpfige Delegation internationaler Prozessbeobachter an der 11- bis 15-monatigen Untersuchungshaft der vier Angeklagten. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele bezeichnete die Anwendung der Ende letzten Jahres ausgelaufenen Kronzeugenregelung und des Paragraphen 129a als fragwürdig. Die PDS-Bundestagsfraktion forderte erneut die Abschaffung des umstrittenen Instruments politischer Strafverfolgung. HEIKE KLEFFNER

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