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sitzblockaden vor gericht

Nötigung durch Zwang. Wann gilt das?

Strafrechtlich wurden Sitzblockaden seit den Zeiten der Studentenbewegung als „Nötigung“ verfolgt. Als Studenten Straßenbahngleise besetzt hatten, um gegen Fahrpreiserhöhungen zu protestieren, entschied 1969 der Bundesgerichtshof (BGH) im berühmten „Läpple-Urteil“, schon das bloße Sitzen auf den Schienen sei „Gewalt“. Denn damit werde auf den Tramfahrer, der ja niemanden verletzen will, psychischer Zwang ausgeübt.

Ein erster Versuch, die enge Auslegung des Nötigungsparagraphen vor dem Verfassungsgericht zu Fall zu bringen, scheiterte 1986. Bei Stimmengleichheit der Richter wurde eine entsprechende Verfassungsbeschwerde abgelehnt.

1995 aber erklärte der Erste Senat mit 5 zu 3 Richterstimmen die bisherige Blockade-Rechtsprechung für verfassungswidrig. Wenn das Strafgesetzbuch von „Gewalt“ spreche, könne man darunter weder die bloße Anwesenheit an einer bestimmten Stelle noch eine rein psychische Zwangswirkungen verstehen.

Allerdings hat sich in der Praxis wenig geändert. Noch im selben Jahr nutzte der BGH eine Kurden-Demonstration auf der Autobahn, um den liberalen Vorgaben die Wirkung zu nehmen. Der Trick: Zwar sei das Anhalten des ersten Autos straflos gewesen, weil hier nur psychischer Zwang ausgeübt wurde. Aber alle nachkommenden Fahrzeuge seien nicht mehr durch die Demonstranten, sondern durch die bereits stehenden Fahrzeuge blockiert worden. Das sei eine Zwangswirkung durch unüberwindliche körperliche Hindernisse, also eine Nötigung.  CHR

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