: Eine freundliche Übernahme
von HERMANNUS PFEIFFER
Die Allianz will die Dresdner Bank übernehmen. Wenn es gelingt – und dafür spricht viel –, wird erstmals hier zu Lande eine Versicherung eine große Bank kaufen. Der weltgrößte Versicherer und die Großbank bestätigen „strategische Gespräche“ für eine Übernahme. Wie die Allianz ankündigte, soll ein führender „integrierter Finanzdienstleister“ entstehen, der Versicherungs-, Vermögens- und Bankprodukte aus einer Hand verkauft. Die Verhandlungen befänden sich in einem „fortgeschrittenen Stadium“, seien aber noch nicht abgeschlossen.
Seit Montag hatten sich die Gerüchte verdichtet, wonach die lange erwartete Neuordnung der deutschen Finanzlandschaft endlich in Angriff genommen werden soll. Geplant wird anscheinend ein Block-Deal zwischen den beiden eng befreundeten Konzernen Allianz und Münchener Rück. Beide Unternehmen sind zu jeweils 25 Prozent miteinander über Kreuz verflochten. Tauschen wollen sie nun jedoch ihre Bankbeteiligungen. Letztlich könnte Allianz die Dresdner Bank weit gehend übernehmen und Münchener Rück im Gegenzug die Hypo-Vereinsbank. Wenn die Allianz ihre rund 14-prozentige Beteiligung an der Bank an die befreundete Münchener Rück überschreibt, wird diese mit rund 20 Prozent der mit Abstand größte Aktionär des zweitgrößten deutschen Kreditinstituts. Im Tausch könnte dafür die Münchener Rück ihre nach Firmenangaben knapp 5-prozentige Beteiligung an der Dresdner an die Allianz abgeben, die schon knapp 21 Prozent besitzt. Sie hätte die Sperrminoritität und faktisch die Macht.
Erster Allfinanz-Konzern
Damit würden die Bankbeteiligungen der beiden Assekuranz-Freunde schließlich wohl geordnet werden, wie beide es jüngst mit ihren Versicherungsbeteiligungen getan haben. Dabei entstand mit der Ergo-Gruppe (Hamburg-Mannheimer, DKV, Victoria) unter den Fittichen der Münchener Rück der zweitgrößte Erstversicherer in der Bundesrepublik – hinter der befreundeten Allianz.
Die beiden Bankvorstände scheinen mit einem solchen Block-Tausch zufrieden zu sein. Mit einer Münchener Rück im Rücken, die sich auf die Rolle eines strategischen Großaktionärs beschränkt und die es als weltweit größte Rückversicherung kapitalmäßig mit der Allianz aufnimmt, könnte die Hypo-Vereinsbank sicher gut leben. Die Dresdner Bank ist als international operierende Universalbank tatsächlich zu klein und zu schwach. Darum hatte, nach der vor Jahresfrist kläglich gescheiterten Fusion mit der Deutschen Bank – von der auch die Allianz profitiert hätte (sie sollte beispielsweise die Bank 24 bekommen) –, der Vorstand weiter nach einem starken strategischen Partner gesucht.
Der Preis dafür könnten eine Zerschlagung des Konzerns und rasante Arbeitsplatzvernichtung sein. Erst kürzlich hatte die Dresdner als einziges renommiertes Kreditinstitut begonnen, ihre Struktur in sechs Divisionen (Immobilien, Firmen, Privatkunden, Vermögensverwaltung, Investment, technische Abwicklung) – praktisch einzelne Unternehmen – neu aufzuteilen. Dieses an sich antiquierte Führungsmodell macht nur Sinn, wenn man sich damit auf eine Fusion und den möglichen Verkauf beispielsweise der Immobilien-Division oder des Filialnetzes vorbereitet – mit oder ohne Allianz.
Aus gewöhnlich gut informierten Kreisen im Allianz-Umfeld heißt es gegenüber der taz, die Allianz wäre vor allem am Investmentgeschäft der Dresdner interessiert und nicht, wie offiziell gestreut, an einer zusätzlichen Vertriebsschiene über die Bankniederlassungen. Ohnehin werden bereits seit Anfang der 90er-Jahre Allianz-Policen über die Tresen der Dresdner Bank verkauft. So geht es der Allianz strategisch wohl um das Geschäft mit vermögenden Privatkunden und um einen Push für den angestrebten Aufbau einer eigenen Investmentgesellschaft. Ob ein Interesse an dem relativ kleinen Filialnetz der Dresdner Bank besteht, ist offen. Kartellrechtliche Schwierigkeiten werden nicht erwartet.
Deutsche Bank spielt mit
Deutsche-Bank-Boss Breuer signalisierte bereits, mit dem Deal gut leben zu können. „Uns war die Absicht bekannt“, sagte er auf der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag. Schließlich verhandele man selber mit der Allianz über eine engere Kooperation. „Es bestehen Chancen für eine Zusammenarbeit mit dem neuen Gebilde“, sagte Breuer gestern. Die traditionell engen Beziehungen des führenden Global Players zur Allianz-Münchener-Rück-Familie wird nach wie vor mit Kapital untermauert. So soll die Deutsche immer noch rund 9 Prozent des Allianz-Kapitals halten und kann sich mittelfristig Hoffnungen auf das Filialnetz der Dresdner Bank machen, mit erheblichem Rationalisierungspotenzial – oder andersherum wäre stattdessen eine Abgabe des so genannten Massenkundengeschäfts an die Allianz denkbar, wiederum mit erheblichem Rationalisierungspotenzial. Für alle Beteiligten geht es bei der Neuordnung des Finanzplatzes Deutschland um ihre ehrgeizigen Gewinnziele. Angestrebt wird ein internationales Spitzenniveau mit einer Eigenkapitalrendite von über 25 Prozent.
Den Finanzplatz Deutschland würden sich dann zukünftig, klarer als bisher, drei Allfinanz-Gruppen teilen: die Deutsche Bank (Herold, Gerling, Nürnberger), Allianz (Dresdner) und Münchener Rück (Hypo-Vereinsbank, Ergo). Die drei sind eng befreundet. Den Wettbewerb retten könnten dann nur die Sparkassen und Genossenschaftsbanken und ihre Versicherer. Auf Kanzler Schröder und seine Wirtschaftspolitiker kämen durch eine solche Blockbildung harte Zeiten zu.
Zweitbeste Lösung
Noch ist das Ende der Verhandlungen offen. Für die Allianz könnte die Aktion teuer werden. Wenn sie sich nicht auf eine unternehmerische Führung bei der Dresdner als dominanter Großaktionär beschränkt, sondern eine deutliche Aktienmehrheit will, muss sie noch institutionelle und private Aktionäre auskaufen. An die 20 Milliarden Mark könnten das kosten. Obendrein riecht das neue Konzept nur nach einer zweitbesten Lösung. Soll vielleicht doch nur Druck auf die Deutsche Bank ausgeübt werden, enger zu kooperieren? Der Frankfurter Geldgigant verhandelt nicht allein mit der Allianz, sondern auch mit deren internationalem Konkurrenten, der französischen Axa.
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