: Holland? Nein danke!
■ Akademikerinteresse an Training gering/ Bedenkliche Bilanz des Arbeitsamts
Examen bestanden, aber kein Job in Sicht. In Bremen sind derzeit 4639 AbsolventInnen auf Stellensuche. Abhilfe sollte ein Konzept des Gastprofessors Theo Koning von der Hanze-Hogeschool in Groningen schaffen, der für ein Jahr an der Hochschule Bremen lehrt.
Seit 1992 gilt „Freizügigkeit“ auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Doch nur wenige Deutsche sind bereit, sich mit einer fremden Sprache und einem neuen kulturellen Umfeld auseinander zu setzen. Dabei boomt in den benachbarten Niederlanden die Wirtschaft. Viele Firmen suchen händeringend nach Personal, gerne auch aus dem Ausland. Es gab sogar schon Fabriken, die wegen Fachkräftemangels schließen mussten.
Das Institut für Finanz- und Dienstleistungsmanagement (IFD) der Hochschule Bremen hat deshalb zusammen mit Theo Koning einen Kurs entwickelt, der auf den holländischen Arbeitsmarkt vorbereiten soll. In 36 Wochenstunden erlangen die Kursteilnehmer Sprachkenntnisse und arbeiten sich in rechtliche Unterschiede ein. Neben einer Einführung in Unternehmenskultur sowie Politik und Gesellschaft kommt auch die Praxis nicht zu kurz: Ein Bewerbertraining simuliert den Ernstfall. Auf Exkursionen können die Absolventen Kontakte zu Betrieben knüpfen. Abgeschlossen wird der zwölfwöchige Kurs mit einem Zertifikat. Zudem können die Teilnehmer eine Prüfung über „Niederländisch als Zweitsprache“ (NT2) ablegen.
Bekannt für mittlerweile 22 internationale Studiengänge, will die Hochschule ihre langjährigen Kontake zu niederländischen Firmen nutzen, um Arbeitslosen unter die Arme zu greifen – mit Unterstützung der EU. Das Arbeitsamt übernimmt die Kosten für die „Trainingsmaßnahme“, wenn die „persönlichen Voraussetzungen erfüllt“ sind, das heißt, die Interessenten arbeitslos oder stellensuchend gemeldet sind.
Der einzige Haken ist, dass sich niemand dafür interessiert. Von 380 stellensuchenden Akademikern, die vom Arbeitsamt direkt angeschrieben wurden, haben sich gerade mal zwölf näher erkundigt, verbindlich anmelden wollten sich nur fünf.
Theo Koning ist enttäuscht, ist er doch auch für dieses Projekt nach Deutschland gekommen. Den bisherigen Arbeitsaufwand schätzt der Europaexperte auf 400 bis 500 Stunden. Für den Abschlussbericht sucht er nach möglichen Gründen – zu wenig Öffentlichkeitsarbeit und zu viele Konkurrenzangebote?
Privat ist Koning in niederländischen Gewerkschaften engagiert. Hier gibt es gute Erfahrungen mit grenzüberschreitendem Austausch. Aus persönlichem Interesse wird er in seinen Bemühungen nicht locker lassen: „Ich glaube an das Projekt.“ Andere auch. Die deutsch-niederländische Handelskammer hat bereits Interesse bekundet. Dort gehen viele Anfragen zur Stellenvermittlung nach den Niederlanden ein. Vielleicht ändern ja auch die AkademikerInnen bald ihre Meinung. Ein holländisches Sprichwort sagt: „Ist ein Schaf über den Zaun, folgen andere.“ db
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