: Schneller einwandern als die Regierung
Der Chef der CDU-Zuwanderungskommission hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt und will im Wahlkampf sachlich bleiben
BERLIN taz ■ Der Mann geht seinen Weg. Mitten in der aufgeregten Patriotismus-Debatte gelang es Peter Müller gestern, ganz sachlich über seine Arbeit als Vorsitzender der CDU-Zuwanderungskommission zu berichten. Und eine Broschüre zu verteilen, in der Sätze stehen wie: „Zuwanderung ist auch Bereicherung.“ Die Ergebisse seiner Kommission will Müller Anfang Juni präsentieren – und damit schneller sein als die Kommission der Bundesregierung. Was Müller gestern sagte, war bemerkenswert. Vor allem, was er nicht sagte.
Die scheinbar unvermeidliche Warnung vor „Asylmissbrauch“ kommt bei Müller nicht vor. Im Gegenteil: Deutschland sei bei der Aufnahme von Asylbewerbern europaweit nur noch „im hinteren Mittelfeld“, Asylrechtsänderungen also „nicht entscheidend“. Das Unwort von der „deutschen Leitkultur“ meidet Müller. Den Spruch vom stolzen Deutschen – dito.
Stolz wäre der saarländische Ministerpräsident, wenn es ihm gelingt, die Union beim Zukunftsthema Migration zu modernisieren. Nicht einfach in einer Partei, für die lange galt: „Deutschland ist kein Einwanderungsland.“ Dieser alte Glaubenssatz ist für Müller „ungefähr so haltbar wie die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe“. Politik müsse „Verständigung über die Wirklichkeit“ sein, sagt Müller immer wieder – und dazu gehört für ihn die Erkenntnis: „Die demografische Entwicklung der Bundesrepublik wäre ohne Zuwanderung noch problematischer, als sie ohnehin schon ist“.
Müllers Ehrgeiz ist es nicht nur, die Altvorderen der eigenen Partei zu überzeugen. Wenn es nach ihm geht, könnte die Union die Bundesregierung sogar überholen. So sei die „Green Card“ nur „Stückwerk“, so lange es keine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung und die Möglichkeit des Familiennachzugs gibt. Überhaupt seien „Einzelfallregelungen nicht hinreichend“. Was Müller vorschwebt, ist ein Quotensystem nach kanadischem Vorbild. Zum Konsens mit der Regierung ist Müller bereit.
Wenn es aber vor der Bundestagswahl nicht mehr zu einer Einigung komme, könne dies natürlich auch Wahlkampfthema werden, „ohne jede Aufgeregtheit“. Wie das geht, hat Müller bewiesen. LUKAS WALLRAFF
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