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Kontrollierter frischer Wind

Grüne attackieren „Scholz-Kommission“: Staatsaufgaben dürfen nur im Ausnahmefall privatisiert werden, Versorgung muss für die Bürger garantiert sein. Politische Kontrolle bei Vergabe gefordert

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben und Institutionen soll nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/Grüne „der Ausnahmenfall“ bleiben. Umstrukturierungen von Verwaltungen mit dem alleinigen Ziel der Haushaltskonsolidierung könnten kein Modell der Aufgabenreform sein, wie sie derzeit im Senat diskutiert wird. Der Staat dürfe nicht „rückgebaut werden“, sondern müsse weiterhin soziale und ökologische Dienstleistungen für seine Bürger garantieren, so die Grünen gestern zum Auftakt einer Diskussionsreihe zum Thema. Dennoch lehnen die Bündnisgrünen Umstrukturierungen oder Privatisierungen generell nicht ab, wenn gewährleistet wird, dass Qualität, Effektivität und die politische Kontrolle von Aufgaben gesichert bleiben.

Grund für die Reihe, sagte gestern Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz, seien die Ergebnisse der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik (die so genannte Scholz-Kommission), die Mitte April dem Parlament vorgelegt werden sollen. Doch weder die breite Öffentlichkeit noch die Betroffenen seinen über die Arbeit der „Geheimrunde“ richtig informiert worden. Auch seien bisherige Privatisierungen, wie die der Bewag, „konzeptionslos“ diskutiert worden, so Klotz. Darum wollten die Grünen in acht Folgen eigene Modelle zur Reform debattieren.

Im Auftrag der Finanz- und Innenverwaltung hatte die Kommission Vorschläge zur Strukturreform und zu Finanzeinsparungen bei öffentlichen Aufgaben gemacht. Im Kern sollen Personal in den Bezirken und in landeseigenen Betrieben etwa bei der Gebäudeverwaltung eingespart werden. Institiutionen von Berlin und Brandenburg, etwa die der Wirtschaftsförderung und Landwirtschaft, sollen als „kleine Fusion“ zusammengelegt, das Baurecht überarbeitet und städtische Dienstleistungen im Wettbewerb mit privaten Anbietern ausgeschrieben werden. Finanzsentor Peter Kurth (CDU) erhofft sich durch Zusammenlegung und Privatisierung von Ämtern oder der Bauaufsicht Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe.

Frischer Wind in den Amtsstuben ist für die Grünen dann berechtigt, „wenn mehr Effektivität“ erreicht werden kann, sagte die Abgeordnete Camilla Werner. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass das Parlament „die politische Steuerung“ nicht aus der Hand gibt – etwa die Aufsicht über die Versorgungspflicht für Bäder. Zugleich fordert Klotz, dass staatliche Aufgaben „befristet“ und per Auschreibung vergeben werden und bei schlampiger Leistung die „Rückholbarkeit“ der Vergabe möglich sei.

Auftaktrunde „Stadt-Staat im Wandel“: 9. April, 19 Uhr im Abgeordnetenhaus

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