Judenhass im Poesiealbum

Schulen melden deutlich mehr rechtsextremistische und antisemitische Vorfälle als im vergangenen Schuljahr. Die Schärfe der Bedrohung nimmt zu. Täter sind arabische und deutsche Jugendliche

von JULIA NAUMANN

An den Berliner Schulen werden rechtsextremistisch und antisemitisch motivierte Vorfälle schärfer. Auch die Anzahl der registrierten Vorfälle steigt. Das dokumentiert ein interner Bericht des Landesschulamtes (LSA), der der taz vorliegt. Bei den Tätern handelt es sich im Westteil der Stadt überwiegend um Jugendliche arabischer Herkunft, im Ostteil um deutsche Jugendliche.

So meldete ein Schulleiter im November vergangenen Jahres dem LSA, dass auf den Stuhl einer jüdischen Schülerin in einer Tempelhofer Schule sechs Davidsterne geritzt wurden. Daneben stand „Nur für Juden“. Auf den Tisch war außerdem „Tod Scheiß Jud“ geschmiert. Im gleichen Monat drang ein schulfremder Jugendlicher palästinensischer Herkunft in eine Klasse in einer Oberschule in Tiergarten ein und bedrohte einen Lehrer mit einem Elektroschockgerät. Er soll den Pädagogen aufgefordert haben, „alle Juden und Christen sind Bastarde“ zu sagen.

In dem Bericht werden auch mehr Fälle dokumentiert: Im vergangenen Schuljahr wurden insgesamt 18 Vorfälle von Lehrern oder Schulleitern an das LSA gemeldet, die auf eine „Verherrlichung der nationalsozialistischen Zeit oder auf eine antisemitische, rassistische oder terroristische Haltung einzelner Schüler oder Schülergruppen schließen lassen“. Im ersten Halbjahr des laufenden Schuljahres 2000/2001 waren es bereits 24 Fälle. Drei Viertel davon ereigneten sich in den östlichen Bezirken.

Nach Einschätzung der Gewaltexpertin des Landeschulamtes, Bettina Schubert, ist die Zunahme „vor allem ein Symptom und die Folge erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit gegenüber dem Thema rechtsextremer Gewalt“ seit dem vergangenen Sommer. Gleichzeitig sei die Aufmerksamkeit der Lehrer gestiegen.

So haben Schulen jetzt zum Beispiel berichtet, dass Schüler sich einander mit „Sieg Heil!“ grüßen oder Hakenkreuze und Reichsadler auf Tische und Wände malen. Jugendliche haben laut LSA-Bericht Galgen in ihre Hefte gezeichnet, an die sie „Türken und Russen“ hängen möchten. Ein anderer Schüler hat auf die KaDeWe-Einkaufstüte seines Lehrers mit der Bemerkung gezeigt: „Der kauft im Judenladen.“ Ein Mitschüler, Kind einer palästinensischen Mutter, reagierte daraufhin mit den Worten: „Die schlachte ich sowieso alle ab.“

Auch an den Grundschulen gibt es bereits antisemitische Einstellungen: Eine Schülerin in Reinickendorf hat einer Freundin ins Poesiealbum geschrieben, ihr größter Wunsch sei es, dass sie auf die Realschule komme und „dass alle Juden sterben“. In einer Lichtenberger Grundschule verteilte ein Junge Handzettel der NPD und provozierte im Unterricht mit ausländerfeindlichen Sprüchen.

Bei fast drei Viertel aller in diesem Schuljahr gemeldeten Fälle sind die Täter Schüler der betroffenen Schulen. Sie äußern sich auf Zetteln, die durch den Klassenraum wandern, aber auch offen in der Pause oder bei Wandertagen, hat LSA-Mitarbeiterin Schubert erfahren. In nur sieben der dokumentierten Fälle sind die Täter Schulfremde. Meist handelt es sich dabei um Propagandadelikte. So wurde Schülerzeitungsredakteuren zum Beispiel rechtsextremistisches Material zugesandt.

Damit rechtsextreme Tendenzen an den Schulen wirkungsvoll bekämpft werden können, kritisiert Schubert, reiche es nicht aus, wenn Lehrer und Schulleitern die entsprechenden Vorfälle dem Landesschulamt und der Polizei melden. Vielmehr müssten die Pädagogen durch Gespräche und gezielte Projekte auf die Jugendlichen einwirken.