: Werthebach: Nach Haus am 1. Mai!
Innensenator verbietet erstmals die „Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“. Aufenthaltsverbote für Autonome angekündigt. SPD unterstützt Werthebach. Grüne und PDS: Das Verbot eskaliert die Lage am traditionellen Kreuzberger Krawalltag
von PLUTONIA PLARRE
Erstmals in der Geschichte der „Revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen“ ist die Traditionsveranstaltung autonomer und undogmatischer Gruppen in Kreuzberg verboten worden. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat damit gestern wahr gemacht, was von den Hardlinern in der CDU schon lange gefordert wird. Der Anmelder, die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB), hat rechtliche Schritte vor dem Verwaltungsgericht angekündigt.
Grüne und PDS warfen Werthebach vor, die Situation am 1. Mai zu eskalieren. Sie sprachen von einem durchsichtigen Manöver des Innnensenators, um Punkte für seinen Feldzug zur Verschärfung des Versammlungsrechts zu sammeln. Die SPD dagegen unterstützte den Innensenator. Ein Verbot scheine „die richtige Maßnahme zu sein“, sagte der rechtspolitische Sprecher Klaus-Uwe Benneter.
In der vergangenen Woche hatte Werthebach bereits eine gleichfalls für den 1. Mai angemeldete NPD-Demonstration verboten. Die Rechtsextremen sind dagegen vors Verwaltungsgericht gezogen. Eine Entscheidung steht noch aus.
Werthebach begründete gestern den Beschluss, auch die für 18 Uhr in Kreuzberg angemeldete „Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“ zu verbieten, mit den „straßenfestähnlichen“ Krawallen, in die die Veranstaltung seit 1987 ausarte. Nach der Wende und dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin sei es allerhöchste Zeit, „den politischen Irrläufern und Chaoten“ klar zu machen, dass der Staat keine rechtsfreien Räume dulde.
Die Entscheidung der Innenverwaltung wird offenbar von der gesamten Polizeiführung mitgetragen. Das ist verwunderlich, weil die Polizei in den vergangenen Jahren mit dem so genannten AHA-Konzept versucht hatte, auf Kommunikation statt auf Konfrontation zu setzten. Auch in diesem Jahr sollen wieder Straßen- und Sportfeste zur Deeskalation durchgeführt werden. Diesem Ansatz werde nun „ein Bärendienst erwiesen“, ist der Fraktionschef der Grünen, Wolfgang Wieland, überzeugt.
Polizeipräsident Hagen Saberschinsky dagegen versuchte gestern, das Verbot als einen „neuen Weg“ zu verkaufen, der „einen Normalisierungsprozess“ einleiten soll. Das Signal, dass solche Exzesse in Berlin nicht mehr geduldet würden, sei auch an die „erlebnishungrigen Jugendlichen“ gerichtet. 50 Prozent der im vergangenen Jahr festgenommenen Straftäter waren laut Saberschinsky unter 21 Jahre alt, 30 Prozent kamen von auswärts.
Was unter Normalisierungsprozess zu verstehen ist, erläuterte der Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert, der auch die Einsätze am 1. Mai leitet. Die Einsatzschwelle der Polizei werde „außerordentlich niedrig“ sein. Menschenansammlungen rund um die Demonstrationsroute würden sofort aufgelöst. Wer sich trotzdem versammele, werde festgenommen. Bekannte Straftäter aus der autonomen Szene werden im Vorfeld vor einer Teilnahme gewarnt. Rund 50 Personen sollen für Teile von Kreuzberg sogar ein Aufenthaltsverbot bekommen. Durchgesetzt werden soll das Verbot durch mehr als 7.500 Polizisten aus Berlin und dem Bundesgebiet. Er sei sich des Risikos bewusst, dass das Verbot die Stimmung anheizen könne, sagte Werthebach: „Ich glaube aber, dass die Polizei der schwierigen Situation Herr werden wird.“
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