wahnsinn, tabus, etc.: Der Theaterregisseur Peter Stein beharrt darauf, die Schoah in Zukunft „Juden-Grillen“ nennen zu dürfen
Wir sind stolz, nicht Peter Stein zu sein
Hallo, Herr Stein? Können Sie uns hören? Wir hören Sie nämlich sehr gut. Sie brauchen gar nicht so zu schreien. Und wir finden es auch gar nicht so schlimm, dass Sie das neue Botho-Strauß-Stück nicht als Erster aufführen durften. Und dass man Ihren Jahrtausend-Faust wohl nicht genügend gewürdigt hat. Aber Sie, Sie scheinen unter all dem sehr, sehr zu leiden und das teilen Sie uns nun also seit Tagen verschlüsselt mit. Sie wollen uns provozieren, aber wir reagieren nicht.
Sie diktieren der Welt am Sonntag so Sätze wie: „Der Italienerin würde es (im Unterschied zur deutschen Frau) nicht einfallen, ihre Titten hängen zu lassen, einen Wollpullover drüberzuziehen, aus dem Mund zu riechen und plattfüßig daherzukommen, nur um zu demonstrieren, dass sie emanzipiert ist.“ Toll gegeben. Aber niemand empörte sich. Sie versuchten es weiter: Mit den weiblichen Regisseuren gehe es Ihnen „wie bei der neuesten Einwanderungswelle: Wie etwa die Türken gegen die Libanesen sind, so bin ich – geradezu rassistisch – gegen das Eindringen weiblicher Regisseure.“ Zugegeben, wir wissen nicht so viel über die Libanesenfeindschaft der Türken. Aber es wurde schon deutlich, was Sie von weiblichen Regisseuren halten.
Doch als wir auch dann noch nicht bereit waren, uns öffentlich über Sie, den großen Tabubrecher Peter Stein, zu empören, da griffen Sie jetzt also auf eine todsichere Variante zurück: Holocaust-Verhöhnung. Immer noch die letzte sichere Bank, um sich ins Gespräch zu bringen. Der Holocaust soll nun also wahlweise „Juden-Grillen“ oder „Juden-Braten“ genannt werden, so haben Sie, laut einem Bericht der FAZ, auf einer Berliner Podiumsdiskussion zum Thema „Frank oder frei – ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ erklärt. Und als Sie merkten, dass das Publikum einfach schwieg, haben Sie Ihre unglaublichen Worterfindungen sogar noch ständig wiederholt. Bis endlich ein Amerikaner Ihnen Geschmacklosigkeit vorwarf. Endlich, endlich reagierte jemand auf Sie: „Wenn Sie das für geschmacklos halten, dann akzeptieren Sie mich bitte als geschmacklosen Menschen.“ Andernfalls müssten Sie schweigen. Aber Sie schwiegen nicht. Und wir haben Grund zur Befürchtung, dass Sie auch in Zukunft nicht schweigen werden. Wenn weiterhin niemand reagiert. Deshalb dachten wir uns heute: Wir reagieren einfach mal.
Über Ihr junges Faust-Ensemble klagten Sie kürzlich, es sei vielleicht nicht verrückt genug. Doch ein Ensemble mit einem Leiter wie Ihnen hat das auch, wie uns scheint, nicht wirklich nötig.
VOLKER WEIDERMANN
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