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BERLINS INNENSENATOR VERBIETET AUTONOME MAIDEMONSTRATIONVerbot provoziert Eskalation

Love Parade, NPD-Aufmarsch, Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration, Berlins Innensenator Eckart Werthebach greift durch: Drei Demonstrationen hat der CDU-Politiker in den vergangenen drei Wochen verbieten lassen, zuletzt gestern den autonomen Protestzug am Tag der Arbeit, der im Szenejargon „Kreuzberger Maifestspiele“ heißt und alljährlich in einer Straßenschlacht endet.

Seit seinem Amtsantritt im November 1998 arbeitet Werthebach daran, das Demonstrationsrecht zu verschärfen. Die eine Ebene dabei sind die Verbote. Die andere ist die stetige Argumentation für eine Verschärfung des Demonstrationsrechtes, für die Werthebach bereits gemeinsam mit dem CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach einen Gesetzesentwurf präsentiert hat. Danach soll an bestimmten Orten der Hauptstadt, den „befriedeten Bezirken“, das Demorecht künftig nicht mehr die Regel, sondern nur noch die Ausnahme sein.

Das aber ist noch Zukunftsmusik für den Berliner Innensenator. Und so setzt Werthebach weiter auf Verbote. Ob diese vor dem Verwaltungsgericht standhalten, ist zwar fraglich. Doch auch eine Niederlage wirkte wie ein Punktsieg für den Innensenator: Sie gibt seinem alten Argument, nur mit Hilfe einer Gesetzesverschärfung seien missliebige Aufmärsche zu verhindern, neues Futter.

Mit dem Verbot der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ jedenfalls wird es Werthebach nicht gelingen, die Gewalt am 1. Mai in Kreuzberg zu verhindern. Von einem Verbot und massiver Polizeipräsenz werden sich viele der bis zu zehntausend Protestierer, die in den vergangenen Jahren an der Demonstration teilnahmen, nicht vom Protest abhalten lassen. Vielmehr wird das Verbot einem alten Feindbild Auftrieb geben: dem „Bullenstaat“. Und genau dieses Feindbild mobilisiert die alljährlichen Teilnehmer an den „Kreuzberger Maifestspielen“ – gewaltbereite Autonome ebenso wie abenteuerlustige Kids, die wegen des Katz-und-Maus-Spiels mit der Polizei nach Kreuzberg kommen. Und deshalb wird durch ein Verbot der Weg zu einem friedlichen 1. Mai in Berlin nicht erleichtert, sondern erschwert. SABINE AM ORDE

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