: Straße frei für Polizei
Berliner Innensenator verbietet erstmals linke Demonstration am 1. Mai in Kreuzberg
BERLIN taz ■ Das „Ende der Gewalt“ ist noch nicht absehbar. Der Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat gestern erstmals die traditionelle 1.-Mai-Demonstration der Berliner Autonomen in Kreuzberg verboten.
Die Szene wirbt seit Tagen auf Plakaten für die abendliche Demo. Unter dem Motto „Ende der Gewalt“ lächelt ein Szenejüngling den Betrachter an. Bekleidet ist er mit einem hippen T-Shirt, auf der Brust leuchtet im sportlichen Designer-Schriftzug „Riot“.
Die geplante Demonstration der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) sei auf Gewalt ausgerichtet, begründete Werthebach das Verbot. „Seit zehn Jahren finden in Berlin so genannte revolutionäre Demonstrationen statt, die regelmäßig eine Spur der Gewalt und Zerstörung im Herzen Berlins hinterlassen“, so Werthebach. Die Polizei werde das Versammlungsverbot mit äußerster Konsequenz durchsetzen. Die Polizei wird in persönlichen Briefen mehreren Dutzend vermeintlichen Szeneangehörige verbieten, sich am 1. Mai an den geplanten Demonstrationsorten aufzuhalten. 7.500 Polizisten werden insgesamt eingesetzt. Wer an der Demo teilnehmen wolle, müsse damit rechnen, sofort festgenommen zu werden, so ein Polizeisprecher.
„Wir lassen uns nicht verbieten, gerade am 1. Mai gegen die kapitalistischen Zustände auf die Straße zu gehen“, betonte gestern eine AAB-Sprecherin. Das Verbot habe sie aber nicht überrascht. Seit Jahren versuche Werthebach, Linke zu kriminalisieren. Ihre Organisation werde jetzt zunächst alle rechtlichen Schritte gegen das Verbot einleiten.
In den vergangenen Jahren war es am 1. Mai am Rande der revolutionären Demonstrationen immer wieder zu schweren Ausschreitungen zwischen den Demonstranten und der Polizei gekommen. Am 1. Mai 1987 hatte es erstmals in Berlin-Kreuzberg nächtelange Krawalle gegeben. Dabei waren Kaufhäuser und Supermärkte geplündert worden. Seitdem verläuft die erste Kreuzberger Mainacht unruhig. Die Krawalle haben allerdings in den vergangenen Jahren an Intensität verloren; auch die Teilnehmer haben sich verändert. Waren es zu Beginn der 90er-Jahre hauptsächlich Szeneangehörige, so liefern sich nun ganz normale deutsche und türkische Jugendliche das traditionelle Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei.
Senator Werthebach hat bereits vorige Woche eine Demonstration der rechtsextremen NPD am 1. Mai in Berlin verboten, diese soll nach seinem Willen auf den 5. Mai verschoben werden.
RICHARD ROTHER
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