: „Hör auf ...!“
Heute ist der „Tag gegen Lärm“. „Aktionszentrum Umweltschutz“: „Das geht an der Bevölkerung vorbei“
Leise gehen sie vor – die Kämpfer gegen den Lärm. Weil sie schlecht mit einem Megaphon „Ruhe!“ brüllen können, geht der heutige „Tag gegen Lärm“ eher still über die Bühne.
Zum vierten Mal findet der „International Noise Awareness Day“ statt – dieses Jahr unter dem Motto „Hör auf ...!“ Auch wenn die geplanten Aktionen wie die Installation eines großen roten Ohres in der Neuköllner Flughafenstraße, einer der lautesten Straßen der Stadt, oder Beratungen über Lärmschäden in Kliniken wenig Resonanz finden werden, ist der Aktionstag weit mehr als viel Lärm um nix. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist Lärm die am häufigten wahrgenommene Umweltbelastung – durch Autos, Flugzeuge oder laute Nachbarn, Schwerhörigkeit gilt als häufigste Berufskrankheit. Der Philosoph Arthur Schopenhauer sagte einst: „Der Lärm ist die impertinenteste aller Unterbrechungen, da er sogar unseren eigenen Gedankengang unterbricht, ja zerbricht.“
Für Detlef Bramigk, der 1965 das „Aktionszentrum Umweltschutz“ gründete und Vorsitzender der „Gesellschaft für Lärmbekämpfung“ ist, ist der heutige Tag „eines der üblichen Exerzitien“. Wegen fehlender finanzieller Mittel könne man nur an die Vernunft appellieren, was eben nicht ausreiche. Bereits an Schulen müsse „das Phänomen Lärm als unerwünschter Schall“ nahe gebracht werden, so der 65-Jährige. Er beklagt, dass viele Menschen „keinen Sensor“ dafür hätten, „wie der eigene Lärm woanders ankommt“. Da Verkehrslärm in gewisser Weise „unverbindlich“ sei, litten viele Menschen stärker unter den Geräuschen ihrer Nachbarn als unter Autolärm.
Der ehemalige SFB-Mess-Ingenieur zieht ein resignatives Fazit: „Es ist uns leider nicht gelungen, die Menschen so zu erreichen, dass sie merken, dass Lärm die Gesellschaft beeinträchtigt.“ Schuld daran sei auch die Gesetzgebung. „In der Umweltgesetzgebung gibt es kein Recht auf Ruhe“, so Bramigk. Trotzdem gibt er nicht auf. Bei der Stange hält ihn seine ganz eigene Lebensphilosopie: „Es soll keiner sagen: Das haben wir nicht gewusst.“
Hartmut Vetter vom Berliner Mieterverein weiß von „einer steigenden Tendenz“ bei Nachbarschaftsstreitigkeiten wegen Lärm. „Die Leute sind mehr zu Hause und gehen sich auf den Wecker.“ Bleibt abzuwarten, ob eintritt, was der Arzt Robert Koch prognostizierte: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.“B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
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