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Der Frauenführer

In Guido Knopps neuer Reihe „Hitlers Frauen“ erfährt man allerhand, nicht aber über Hitler und die Frauen („Eva Braun – Die Freundin“, 20.15, ZDF)

von THORSTEN PILZ

Alles über Eva: Schon als Kind wollte sie im Mittelpunkt stehen, sieht sich als Künstlerin – erst Theater, dann Fotografie, träumt sich so durch die gutbürgerliche Welt Münchens in den Zwanzigerjahren. Dann, 1929, trifft sie den Mann, der ihre Mädchenwünsche in die Realität hinüberretten sollte: Adolf Hitler.

Doch, man hatte es sich denken können, der Diktator in spe war auch im Zwischenmenschlichen ein wahrer Tyrann. Hitler beachtete Eva Braun kaum. Erst nach zwei Selbstmordversuchen nimmt er die oft Verschmähte auf den Berghof: Eva firmierte als Privatsekretärin und bezog ihr Gehalt aus der Parteikasse, bekam ein Haus, teure Kleider – alles, was kleine, große Mädchen halt so haben wollen.

Mit frischen Orangen im goldenen Käfig

Nur den sehnlichst erwarteten Ehering verweigert Hitler ihr – bis kurz vor dem gemeinsamen Selbstmord im „Führerbunker“ 1945. Ein Leben wie im goldenen Käfig. Von den Abgründen des Nazi-Terrors blieb sie verschont, wurde von Hitler in nichts eingeweiht („Eva reiste viel, aber für Außenpolitik interessierte sie sich nicht“) und bei Staatsbesuchen auf dem Berghof auf ihr Zimmer verbannt.

Mit dem Porträt von Hitlers Freundin Eva Braun beginnt das ZDF seine sechsteilige Serie über „Hitlers Frauen“. Verantwortlich ist erneut Guido Knopp, Zuschauern bestens bekannt durch die Reihen „Hitlers Krieger“ und „Hitlers Helfer“. Nun also „Hitlers Helferinnen“, mit sechs „symptomatischen Lebenswegen“ zwischen Anpassung und Widerstand.

Dem Objekt ihrer Untersuchung nähern sich die Autoren dabei wie in den anderen Dokumentationen auch: mit vielen Filmschnipseln, unterlegt mit einem nervtötenden Musikteppich. Dazu – Achtung: Authentizität! – werden Zeitzeugen befragt, die in durchschnittlich drei Sätzen ihr Wissen respektive Unwissen kundtun dürfen. Erhellend ist das nicht.

Vielmehr wird Bekanntes neu illustriert. Und bei allem, was man nicht wusste, stellt sich die Frage nach dem Informationswert. So erfährt man über Eva Braun zum Beispiel, dass sie noch während des „Russlandfeldzuges“ darauf bestand, Orangen serviert zu bekommen. Aber nicht zum Essen, wie sich ein ehemaliger Hausangestellter echauffiert, sondern um sie auszupressen. Auch verzehrte sie sich nach Schildkrötensuppe. So springt die Dokumentation von Anekdote zu Anekdote, vorgetragen unter anderem von dem inzwischen – den Knopp-Doku-Soaps sei dank – berühmt-berüchtigten Pressechef Hitlers, Herbert Döhring, der auch hier wieder einige seiner Schnurren zum Besten geben darf. Jeder Zeitzeuge nimmt, ohne lange zu fackeln, den Standpunkt eines Hobbypsychologen ein – gerade so wie die Protagonisten in den TV-Seifenopern: „Die Eva war doch eigentlich ein Mädchen wie jedes andere auch. Der Adolf sperrte sie ein und wollte sie doch nie ganz.“ Peinlicher Höhepunkt dieses Schwadronierens ist die Sprachlosigkeit Margarete Mitscherlichs: „Es war alles ein Rätsel“, sagt sie über die Beziehung zwischen Braun und Hitler: „Man fasst es nicht.“

Spannende Fragen bleiben ausgespart

Im Mittelpunkt der weiteren Folgen stehen Magda Goebbels (2. Mai), Winifried Wagner (9. Mai), Leni Riefenstahl (23. Mai), Zarah Leander (30. Mai) und Marlene Dietrich (6. Juni) – als personifizierte Gegnerin Hitlers. Dabei fällt auf, dass sich die Autoren für ihre Porträts vier Frauen aus dem künstlerischen Bereich ausgesucht haben. Ein Zufall?

Die enge Verbindung zwischen der Kunst und dem Nazi-Regime wird jedenfalls nur am Rande thematisiert. In der Sendung über Zarah Leander heißt es beispielsweise: „Sie wollte nur eine Künstlerin sein. Die Illusion war ihre Welt.“

In Bombast gekleidete Banalitäten, die die wirklich spannenden Fragen mit beeindruckender Impertinenz außer Acht lassen. Auch in dieser Hinsicht ist „Verbotene Liebe“ authentischer.

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