: Töchter und ihr Tag
Nicht jede hat einen Arzt zum Papa: Manche hatten einfach „keine Zeit“ ■ Von Sandra Wilsdorf
Eine Vision der Senatorinnen Krista Sager (GAL) und Ute Pape (SPD): Vater und Tochter gehen am Morgen des „TöchterTages“ gut gelaunt zu Papas Arbeitsplatz, vorzugsweise ist Papa Netzwerkadministrator, Webdesigner oder Anwendungsentwickler. Seite an Seite lösen sie gemeinsam die Probleme des Arbeitstages – es sei denn Papa hat einen Chef, der sagt: „Die Arbeit kann warten, heute ist Töchter Tag.“ Beim gemeinsamen Mittagessen kommen Vater und Tochter einander nahe wie schon lange nicht mehr, und am Abend sagt die Tochter: „Ich wusste gar nicht, dass du so einen interessanten Job hast. Wenn ich groß bin, will ich auch etwas mit Computern zu tun haben.“ Die Vision funktioniert auch mit Mamas, Tanten, Onkels oder Bekannten.
Die Wirklichkeit am gestrigen „TöchterTag“ sah anders aus: „Ich konnte nicht mit zu meinem Vater gehen, der hätte keine Zeit gehabt“, sagt Katharina, Siebtklässlerin am Gymnasium Allee in Altona. Genauso geht es Dzenifa, deren Vater KFZ-Mechaniker ist. Sieben Mädchen von den 13 aus ihrer Klasse sind gestern zur Schule gekommen, obwohl sie nicht gemusst hätten. Bernd Grabow, stellvertretender Schulleiter, kritisiert: „Um ein gesamtgesellschaftliches Verhalten aufzubrechen, ist ein Tag doch eine Farce. Man sollte lieber darüber nachdenken, die Koedukation in einigen Fächern aufzuheben.“
Die Idee des „TöchterTages“ sei zu kurz gedacht: „Wir haben viel zu spät davon erfahren, um für die verbleibenden Jungen und die Mädchen, die nicht unterkommen, sinnvolle Konzepte entwickeln zu können.“ Über Rollenverhalten lasse sich schlecht sechs Stunden lang diskutieren. Und im Unterricht könne man auch nicht vorangehen, „denn das benachteiligt die fehlenden Mädchen“, sagt Grabow.
An der Heinrich-Wolgast-Schule in St. Georg nahm niemand so richtig Notiz von dem „Töchter Tag“, weil gerade Projektwoche ist. „Wenn aber jemand gekommen wäre, der heute mit seinem Vater hätte mitgehen wollen, wäre das natürlich kein Problem gewesen“, sagt Schulleiterin Uta Herold. Es ist aber niemand gekommen. Zum Thema Berufsorientierung sagt sie: „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit einem Sozialpraktikum der Achtklässler gemacht.“
Katharina Kirchhoff, die mit ihrem Vater gestern an seinen Arbeitsplatz im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg ging, fand, „das ist ein toller Tag“. Ihrem Vater verlangte er einiges an Zeitmanagement ab: Es wird kein Patient weniger operiert, nur weil der Dermatologe Tochter und Presse zu Besuch hat.
Großbetrieben wie EADS Airbus, Telecom, Deutsche Bahn und andere nutzten den Tag, sich Mädchen und Medien zu zeigen, emfingen hunderte von Töchtern und führten sie durch Werk und Tag. Krista Sager hatte gleich drei Leihtöchter dabei. Dass die am Ende des Tages gesagt haben „wenn ich groß bin, will ich Senatorin werden“ ist reine Spekulation.
siehe auch Seite 7
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