: Sind Sie stolz, Europäer zu sein?
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Während Gerhard Schröders Verfassungspläne bei den europäischen Nachbarn teils heftige, teils hinhaltende Reaktionen auslösen, blieb ein anderer Aspekt deutscher Euro-Befindlichkeit fast unbemerkt: „Sind Sie stolz, Europäer zu sein?“, hatte die EU-Kommission gefragt und folgendes Ergebnis erhalten: Nur 51 Prozent der Deutschen gaben an, „sehr stolz bis stolz“ zu sein – das ist der unrühmliche vorletzte Platz auf der Stolzskala, nur die Briten können ihrer EU-Mitgliedschaft noch weniger abgewinnen (45 Prozent stolze Europäer). Spitzenreiter sind die Spanier mit 77 Prozent, und sogar in Frankreich, wo der Nationalstolz hoch im Kurs steht, haben immerhin 62 Prozent der Befragten auch europäische Gefühle.
Dass ausgerechnet im euroskeptischen Deutschland die Debatte über die Vollendung der Union so weit fortgeschritten ist – nach Außenminister Fischer plädierte jüngst im Straßburger Parlament auch Bundespräsident Rau für eine europäische Verfassung –, wird in Brüssel nicht kommentiert. Ein Sprecher der Kommission sagte, es sei noch schwierig, die „konkreten deutschen Absichten“ zu erkennen. Schröders Vorschläge müssten genau analysiert werden. Auch andere Regierungschefs sollten sich nun mit eigenen Beiträgen an der Debatte beteiligen.
Damit hat die Kommission angedeutet, wie sie den Vorstoß des Bundeskanzlers gewichten will: als ein Element in der ersten Phase des „Post-Nizza-Prozesses“. Europas Bürger sollen darüber debattieren, welche Politikbereiche künftig auf EU-Ebene und welche auf nationaler oder regionaler Ebene verhandelt werden sollen.
Der belgische Premier Guy Verhofstadt von den Liberalen, der die Präsidentschaft am 1. Juli von den Schweden übernimmt, will sich erst heute zu Gerhard Schröders Vorschlag äußern. Sein Sprecher sagte aber, die Vorschläge seien auf den ersten Blick den belgischen Vorstellungen sehr ähnlich. Die in Belgien mitregierenden Grünen begrüßten, dass nach dem deutschen Konzept das Europaparlament mehr Mitspracherecht erhalten würde.
Als „Befreiungsschlag für ein demokratisches Europa“ feierte der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Jo Leinen den Entwurf. Als Mitglied des Konvents für eine Grundrechtecharta und als Beobachter der Reformkonferenz hatte er den Frust des EU-Gipfels von Nizza hautnah miterlebt.
Die zitierte Herbstumfrage zeigt auch, dass in neun der fünfzehn EU-Staaten dem Parlament von allen EU-Organen das meiste Vertrauen entgegengebracht wird. In Deutschland allerdings belegt es nur Platz zwei – hinter dem Europäischen Gerichtshof und knapp vor der Europäischen Zentralbank, die in Frankfurt über die Stabilität des europäischen Geldes wacht.
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