elternpolitik: Die Rechte der Reichen
Dieser Spendenaufruf ist rührend: SPD-Familienministerin Christine Bergmann schlägt vor, Höherverdienende könnten ihr Geld aus der Familienförderung doch stiften. Die grüne Finanzexpertin Christine Scheel erklärt, sie gebe ihr Kindergeld schon seit Jahren an Einrichtungen, wo es Kindern zugute käme, die es nicht so gut hätten wie ihre eigenen. Es ist verrückt: Der Staat gewährt Vergünstigungen und gleichzeitig appellieren Politiker an das soziale Gewissen von Wohlhabenden, eben dieses Geld wieder freiwillig abzugeben.
Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH
Die populistischen Spendenbekenntnisse der Politiker folgen einer öffentlichen Gerechtigkeitsfrage: Haben auch reiche Familien ein Recht auf finanzielle Vergünstigungen für ihren Nachwuchs? Oder verdienen sie ohnehin schon genug und brauchen deshalb nicht von einer besseren Familienförderung zu profitieren? Mit dem Verweis auf das Verfassungsrecht kann man die Gefühle, die mit dieser Frage verbunden sind, nicht einfach wegreden.
Verfassungsrechtlich ist alles klar: Auch Reiche mit Kindern haben ein Recht auf Förderung. Wohlhabende Eltern bekommen ohnehin kein Kindergeld, sondern stattdessen eine steuerliche Entlastung, die am Ende Einsparungen ergibt. Diese liegen dann in Höhe des Kindergeldes oder sogar darüber. Die so entstehende Entlastung ist ein steuerlicher Ausgleich für die Kosten der Aufzucht von Kindern. Es ist verfassungsrechtlich nicht möglich, diese Freibeträge abzuschaffen.
Das Verzwickte dabei: Je mehr Steuern die Wohlhabenden zahlen, umso mehr profitieren sie auch von den Freibeträgen. Wer viel verdient, bei dem schlagen auch Entlastungen stärker zu Buche. Das ist ein altes Problem jeder Steuerreform, und dieses Problem muss die SPD jetzt in der Finanzpolitik für Familien lösen. Es geht darum, die steuerliche Entlastung im Rahmen zu halten – nicht darum, die Freibeträge abzuschaffen.
Wie aus der SPD nun verlautet, will man die Steuerfreibetrags-Vorteile reicher Familien künftig kappen, sodass sie die Höhe des allgemeinen Kindergeldes nicht mehr überschreiten. Verfassungsrechtlich dürfte auch das schwierig sein, denn schließlich könnte man argumentieren, dass Reiche auch mehr Geld für ihren Nachwuchs ausgeben und entsprechend steuerlich entlastet werden müssten. Zumindest dieses Problem muss die SPD lösen. Sonst kommt es wieder zu Spendenappellen – und die führen zu nichts und sind zudem nur peinlich.
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