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Keine Erklärung für Falsch-Informationen der Polizei

■ Nach der verhängnisvollen Raserei des Streifenwagens verweigert der Fahrer die Aussage

Der sechsjährige Felix, der am Freitag Mittag auf der Horner Heerstraße auf dem Fußgängerweg von einer Polizeistreife angefahren wurde, hat keineswegs nur den Arm gebrochen, wie die Polizeipressestelle am Freitag verbreitet hatte. Auch die Meldung, der Junge sei „ansprechbar“ gewesen, ist frei erfunden. Bei der taz meldete sich gestern ein Augenzeuge, der wenige Meter von dem Unfall entfernt in seinem Auto im Stau stand, während der Polizeiwagen auf der Busspur vorbei auf die Gruppe von Schulkindern zuraste. Die Windschutzscheibe des Polizeiwagens zersplitterte, der Kopf des Jungen wurde offenbar nicht nur von dem Seitenspiegel erwischt. „Alle dachten, der Junge sei tot. Er hat sich nicht bewegt, blutete stark am Kopf und war nicht ansprechbar“, sagt der Augenzeuge, Vater einer Mitschülerin von Felix.

Einer der beiden Beamten aus dem Unfallwagen habe den Jungen, der regungslos auf den Schienen lag, hochgehoben, über die Straße auf den Gehweg getragen und dort abgelegt. „Ein Anfängerfehler bei einer Kopfverletzung“, sagt der Vater verständnislos: Wie kann einem erfahrenen Polizisten so etwas passieren? Auf dem Gehweg habe der Junge gelegen, bis die Rettungssanitäter kamen – und ihn immer noch regungs-los vorfanden. Wer hat warum die Geschichte vom „Armbruch“ erfunden?

Nach wie vor hat die Polizeipressestelle auch keine Erklärung dafür, warum der Streifenwagen die Ampel, die auf rot stand, und die drei Kinder, die über die Busspur gingen, übersehen konnte. Es handelte sich um ortskundige Beamte des Horner Reviers, seit drei Jahren steht die Ampel da für die Schulkinder. Der Fahrer des Wagens verweigert aber nach wie vor die Aussage, der Beifahrer wurde gestern vom „Sachbearbeiter Verkehrsunfalldienst“ vernommen. Über die Ergebnisse wollte die Polizeipressestelle keine Details mitteilen, es hätten sich für den angenommenen Verlauf auch keine neuen Erkenntnisse ergeben: Die Beamten hätten an die Autobahn fahren wollen, um sich dort an der Fahndung nach einem Autodieb zu beteiligen.

Die Bild-Zeitung hat einen anonymen Polizeibeamten mit den Worten zitiert: „Er hatte gar keinen Einsatz. Den hätten wir über Funk gehört. Aber da kam nichts. Er ist nur über die Busspur gerast, weil er den Stau auf der regulären Bus-Spur umgehen wollte.“ Der Unglückswagen hatte sich vorher bei McDonalds in der Marcusallee mit Pommes eingedeckt, die Tüte lag am Unfallort noch auf dem Rücksitz. Diese These könnte auch erklären, warum der Streifenwagen ohne Blaulicht und Martinshorn losfuhr.

„Die Funksprüche werden aufgezeichnet“, versichert die Polizeipressestelle. Es müsste sich also aufklären lassen, was über Funk wirklich gesagt wurde und ob die Besatzung des Streifenwagens mehr als ihre heißen Pommes im Kopf hatten. K.W.

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