: Datenstaubsauger jetzt auch im Kabel
Der Bundestag will neue Abhörbefugnisse für die Geheimdienste beschließen. Bürgerrechtler protestieren
FREIBURG taz ■ Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) warnt vor einer schnellen Änderung des so genannten G-10-Gesetzes. In dem Gesetz, das die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs durch deutsche Geheimdienste regelt, sollen Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) neue Befugnisse erhalten. Die HU will erreichen, dass zuvor mindestens eine Expertenanhörung stattfindet. Das Telefonnetz dürfe nicht zu einem „leicht zugänglichen, umfassenden Ausforschungsnetz der Sicherheitsbehörden“ werden.
Am Mittwoch soll im Innenausschuss des Bundestages ein Gesetzentwurf der Bundesregierung behandelt und bereits am Freitag im Plenum beschlossen werden. Erweitert werden dort die Befugnisse des Verfassungsschutzes zum Abhören der Telefone von Extremisten. Auch wenn es um Volksverhetzungen oder Gewalttaten außerhalb von terroristischen Vereinigungen geht, soll der Verfassungschutz künftig mithören dürfen. Die HU kritisiert, dass der Geheimdienst damit immer mehr in die „allgemeine Kriminalitätsbekämpfung“ eingeschaltet werde. Die Aufklärung von Straftaten sei jedoch Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Eigentlicher Anlass der G-10-Novelle war aber die Umsetzung von Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die BND-Überwachung des internationalen Fernmeldeverkehrs. Bei dieser „strategischen Überwachung“ wird der gesamte Telefon- und Faxverkehr mit dem Ausland per Computer auf bestimmte Suchwörter durchkämmt und bei Bedarf die Gespräche mitgeschnitten. Dieser „Staubsauger im Äther“ soll nun gesetzlich auf leitungsgebundene Verbindungen ausgeweitet werden, weil die Satellitenkommunikation angeblich rapide abnimmt.
Vor dem Bundesverfassungsgericht war 1998 davon noch nicht die Rede. „Es befremdet, dass nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes abgewartet wurde, um danach die Überwachung weiter auszubauen“, schreibt die HU. Laut Gesetzentwurf soll zwar die Kontrolldichte durch die neuen Befugnisse nicht erhöht werden, der HU-Vorsitzende Till Müller-Heidelberg warnt jedoch vor geheimdienstlichen Zahlentricks. So habe der BND seine Erfassungskapazität in Karlsruhe noch mit 15.000 Gesprächen täglich beziffert, im Gesetzentwurf der Bundesregierung sei diese Kapazität nun „auf wundersame Weise“ auf 100.000 Gespräche angestiegen. Um solche Fragen aufzuklären, drängt die HU auf eine Expertenanhörung. CHRISTIAN RATH
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