herr tietz macht einen weiten einwurf: FRITZ TIETZ über die Nichtsportart Golf
Kein Finderlohn für Rita
Es gibt Sportler, die in ihrer Sportkleidung eher albern wirken. Allen voran Dressurreiter, und das insbesondere dann, wenn sie im Wettkampf eine Polizeiuniform tragen. Auch Wasserballer schauen in ihren Badekappen mit Ohrwärmern ziemlich beknackt aus. Ebenso Skispringer mit ihren komischen Helmen.
Gemessen am Outfit ist jedoch die albernste aller Sportarten eine, die im Grunde gar keine ist: Golf. Zeitvertreib oder Tagedieberei wäre dafür die passendere Bezeichnung. Wandertag ginge auch. Die Albernheiten im Golf fangen schon bei den Autos der Golfspieler an, weil die zu zwei Dritteln albern, nämlich silbern lackiert sind. Noch alberner kommen Golfer in ihren karierten Hosen daher, dazu die blöden Kappen und natürlich diese doofen Tüchlein, die sie sich alle Mann in die Hemdausschnitte vorne stopfen. Immer häufiger sieht man gar Kinder, die zum Golfspielen genötigt und dazu genauso albern eingekleidet werden wie ihre „Altvorderen“ – so sagt man ja wohl in Golfkreisen, wenn man Eltern meint. Es gibt kaum einen unwürdigeren Anblick als den eines Zwölfjährigen, der mit seinen Alten über den Golfplatz trabt. „Darfst du kein Fußball spielen?“, ruft man ihm dann zu. Und sein Vater, ein neureicher Prolet, brüllt zurück: „Halt’s Maul, du dumme Sau!“ Alles klar!
Ein Freund, der nach einem Schnupperkurs neulich („Nur 2.000 Mark plus Mittagessen“) dem Golfspiel samt sämtlichen Albernheiten verfiel, ist die längste Zeit Freund gewesen. Eine Trennung, die bestärkt wurde durch folgende Geschichte, die, so wurde jedenfalls kolportiert, sich vor einiger Zeit auf einem Golfplatz nahe Hamburg zugetragen haben soll:
Eine Witwe mit Namen Rita, im benachbarten Dorf zu Hause, ging auf jenem frei zugänglichen Golfplatzareal gelegentlich spazieren – meist abends, wenn der Spielbetrieb ruhte, mitunter auch mal tagsüber und dann „auf eigene Gefahr“, wie’s die Golfplatzwarte reihum angeschlagen hatten. Dabei machte sich Rita einen ganz persönlichen Sport daraus, das Gelände nach so genannten Findelbällen abzusuchen. Bälle also, die von den Golfern in Büsche, Hecken oder Wiesen gedroschen und dort, aus Faulheit vermutlich, zurückgelassen wurden. Rita kannte mittlerweile die entsprechenden Stellen, und wenn sie dort einen Ball fand, nahm sie ihn mit nach Hause.
So hatten sich mit der Zeit jede Menge Golfbälle bei ihr angesammelt. Eines Tages füllte Rita mit ihnen einige alte Eierpappen auf. Dann rief sie ein paar Kinder aus dem Dorf zusammen. Sie luden die Pappen auf deren Bollerwagen und zogen gemeinsam zum Golfplatzbüro. Dort wollten sie, so Ritas Plan, die Golfbälle gegen einen kleinen Finderlohn eintauschen. Auf diese Weise würden sie wieder dem Golfspiel zugeführt, den Finderlohn aber gedachte Rita den Nachbarkindern zukommen zu lassen.
Brüsk wurden sie jedoch von der Golfplatzleitung zurückgewiesen. Die Bälle einzusammeln, so herrschte sie der Geschäftsführer an, sei nicht erlaubt. Es käme im Gegenteil einem Diebstahl gleich und entsprechend würde man gegen Rita vorgehen; Anzeige wollte man erstatten. Dann nahm der Geschäftsführer die Findelbälle an sich und ließ Rita mit den Kindern stehen. Einen Finderlohn zahlte er nicht. Stattdessen traf einige Wochen drauf eine Vorladung der Polizei bei Rita ein.
Rita aber ging weiterhin auf dem Golfplatz spazieren. Natürlich hütete sie sich fortan, einen Ball auch bloß anzurühren. Auch einen Tag vor dem Termin, zu dem sie bei der Polizei einbestellt war, drehte sie auf dem Golfplatz eine Runde. Es sollte ihre letzte sein. Ein quer geschlagener Golfball kam geflogen und traf sie unglücklich am Kopf. Rita war sofort tot. Erst am Morgen wurde sie gefunden.
So viel vorerst zum Thema Golf.
Autorenhinweis:Fritz Tietz, 42, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.
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