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NRW-Innenminister Behrens präsentiert Eckpunkte zur Zuwanderung. Für Deutschkurse keine Strafmaßnahmen geplant. Parteienkonsens nach niederländischem Vorbild rückt immer näher

BERLIN/DÜSSELDORF taz ■ In der Einwanderungsdebatte ersetzen differenzierte Töne die groben Paukenschläge. Noch vor einem Monat markierte der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) den harten Mann und forderte verpflichtende Deutschkurse für Einwanderer: „Wer nicht lernen will, muss finanzielle Einbußen oder gar die Ausreise in Kauf nehmen.“

Nun präsentiert sich ein verwandelter Behrens: „Zuwanderung erfordert Verständigung, Integrationsbereitschaft und Qualifizierung – von allen für alle.“ Mit diesen warmen Begleitworten legte der Innenminister gestern in Düsseldorf als einer der ersten SPD-Politiker ein Zuwanderungskonzept vor. Mit seinen „Eckpunkten“ will Behrens auf der heute beginnenden Innenministerkonferenz für eine „kluge Integrationspolitik“ sowie eine „intelligente, flexible Zuwanderungspolitik“ werben.

Von Zwangsmaßnahmen ist keine Rede mehr. Kernpunkte von Behrens’ Zuwanderungskonzept sind die Ablehnung fester Zuwanderungsquoten, wie sie die CDU fordert, verpflichtende Integrationskurse und eine Entrümpelung der ausländer- und asylrechtlichen Regelungen, die bislang noch weit gehend von Abwehr geprägt seien.

„Die Chancen, die Zuwanderung bieten kann, nehmen unsere Gesetze zu wenig wahr“, sagte Behrens gestern. Seiner Ansicht nach müsse eine umfassende Regelung die Zuwanderung als politisch und gesellschaftlich gewollten Prozess ausweisen. Dabei dürfe Arbeitsimmigration „nicht undifferenziert mit den Themen Asylrecht und Bürgerkriegsflüchtlinge in einen Topf geworfen werden“. Der Zuzug von Arbeitskräften solle nicht durch feste Quoten, sondern bedarfsabhängig gesteuert werden.

Bei seinen Integrationsvorstellungen orientiert sich Behrens stark an den Niederlanden. Deren Modell bezeichnete er als vorbildlich. So will auch er die Motivation zur Absolvierung von Sprachkursen durch Anreize, wie das Angebot eines beschleunigten Zugangs zum Arbeitsmarkt, unterstützen. Darüber hinaus sollten ihnen Kurse in Politik und Gesellschaft angeboten werden, um sie in die Lage zu versetzen, „die politischen Strukturen, das Wertesystem der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre entsprechenden Rechte und Pflichten kennen zu lernen“.

Eine Teilnahmepflicht an solchen Integrationskursen bezeichnete Behrens als „erstrebenswert“. Nach Vorbild des niederländischen Eingliederungsgesetzes sollten zudem die soziale Betreuung von Zuwanderern beim Übergang von der Schule in den Beruf gefördert und Schulen mit einem hohen Anteil an ausländischen Schülern personell und finanziell besser ausgestattet werden. „Integration kann nur gelingen, wenn sich die Zuwanderer in Arbeit und Gesellschaft auf Deutsch verständigen können und wenn die berufliche und schulische Qualifizierung gefördert wird“, erklärte der Sozialdemokrat.

Ein parteiübergreifender Konsens zeichnet sich ab: Denn auch die Grünen und die CDU beziehen sich bei ihren integrationspolitischen Vorstellungen auf das niederländische Modell. Allerdings hat sich noch keine der Parteien dazu geäußert, wie das Milliardenprojekt Integration finanziert werden könnte. Allein ein flächendeckendes Angebot von Deutschkursen würde den Bund zukünftig mindestens 620 statt wie bisher 320 Millionen Mark kosten, errechnete die Ausländerbeauftrage Marieluise Beck.

Nach dem nordrhein-westfälischen Vorstoß wird am Wochenende die SPD-Arbeitsgruppe „Zuwanderung und Integration“ in Berlin zusammenkommen, um nach eineinhalb Jahren ein Zwischenergebnis zu erarbeiten.

PASCAL BEUCKEREBERHARD SEIDEL

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