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Gefälligkeitsdurchsuchungen

Staatsanwaltschaft durchforstet Praxen von MedizinerInnen, die mit Attesten Abschiebungen verhindert haben sollen  ■ Von Elke Spanner

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat gestern die Praxen von sechs ÄrztInnen durchsucht. Ihnen hatte zuvor die Ausländerbehörde unterstellt, Flüchtlingen Gefälligkeitsgutachten auszustellen, um deren Abschiebung zu verhindern. Eben diese Vorwürfe hatten vor zwei Jahren einen rot-grünen Koalitionskrach ausgelöst. Während dieser politisch durch eine Koalitionsvereinbarung beigelegt wurde, hat die Staatsanwaltschaft seither strafrechtlich gegen die beschuldigten MedizinerInnen ermittelt.

Nach belastendem Material suchten die ErmittlerInnen in den Praxen von drei PsychiaterInnen und praktischen ÄrztInnen aus Altona, beim Nervenarzt und MigrantInnen-Beauftragten der Ärztekammer Klaus Weber sowie in den Räumen eines Oberarztes und einer Stationsärztin des Krankenhauses Ochsenzoll, beide PsychiaterInnen und wegen ihrer Russisch-Kenntnisse viel mit ausländischen PatientInnen betraut. Insgesamt elf Fälle werden den MedizinerInnen vorgeworfen, so Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger. Durch „Gefälligkeitsgutachten“ hätten sie gegen das Ausländergesetz verstoßen.

Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte die Krankenakten der betroffenen PatientInnen. Zudem, so der Rechtsanwalt von Klaus Weber, Michael Spielhoff, hätten sie zumindest in Webers Praxis auch die Abrechnungsscheine mitgenommen, welche der Psy-chiater der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vorgelegt hatte. Die BeamtInnen hätten auch einen Betriebswirt mitgebracht, der prüfen sollte, ob gegenüber der KV nicht erbrachte ärztliche Leistungen für Flüchtlinge abgerechnet wurden.

Die Fälle datieren bis auf zwei alle aus dem Jahr 1999. Damals hatte es der Leiter der Ausländerbehörde, Ralph Bornhöft, als Problem beschrieben, dass Flüchtlinge wegen entsprechender ärztlicher At-teste nicht abgeschoben werden könnten. Er schlug vor, bei Kranken ÄrztInnen mit ins Flugzeug zu setzen um abzusichern, dass die Flüchtlinge die Abschiebung überleben werden. Damals hatte der Deutsche Ärztetag in einer Resolution dagegen protestiert. Die Hamburger Ärztekammer hatte die inkriminierten Atteste überprüft – und die Beanstandungen zurückgewiesen. Die Koalition hatte vereinbart, dass die Ausländerbehörde bei Zweifeln an Attesten AmtsärztInnen mit einem weiteren Gutachten beauftragen soll. Dafür hat die Ausländerbehörde eigens zwei MedizinerInnen eingestellt.

Die Regenbogenabgeordnete Susanne Uhl kritisierte gestern, dass „die Ausländerbehörde Ärzte kriminalisieren lässt“. Das Amt versuche „mit allen Mitteln, ÄrztInnen einzuschüchtern, die es immer noch wagen, Krankheiten und Reiseunfähigkeit bei Flüchtlingen zu attestieren“.

Mit ihren zwei Jahre währenden Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft allerdings auf dem Stand von vor zwei Jahren stehengeblieben. Einem Altonaer Arzt wird laut Rechtsanwalt Spielhoff vorgeworfen, fälschlich einen Mann aus Mazedonien für schwer krank und behandlungsbedürftig erklärt zu haben. Der wurde inzwischen mehrfach in die Psychiatrie eingewiesen – von dem Amtsarzt, den die Ausländerbehörde hinzugezogen hatte.

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