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Öffentlicher Druck wegen Hungerstreiks

Türkische Gewerkschaften planen Arbeitsniederlegung, Menschenrechtsverein organisiert Marsch nach Ankara. Die Regierung verweigert weiterhin den Dialog mit den Gefangenen und verweist auf Gesetzesänderungen

ISTANBUL taz ■ Nachdem in der letzten Woche erneut zwei Gefangene an den Folgen ihres Hungerstreiks gestorben sind und die Zahl der Verhungerten damit auf 22 stieg, zeichnet sich jetzt ein breiterer Protest innerhalb der Türkei ab. Mehrere Gewerkschaften reagierten positiv auf einen Aufruf des Menschenrechtsvereins (IHD), zur Beendigung des Hungerstreiks vorübergehend die Arbeit niederzulegen. „Stoppt alles, was ihr gerade tut, für 10 Minuten, um ein Leben zu retten“, forderte Hüsnü Öndül, Vorsitzender des Menschenrechtsvereins.

Die Gewerkschafter des öffentlichen Dienstes haben bereits angekündigt, sich an einer entsprechenden Aktion zu beteiligen, der Vorstand von Türk-Iș, der größten Gewerkschaftsföderation, will in diesen Tagen über eine Beteiligung beraten. Öndül kündigte außerdem an, der Menschenrechtsverein werde einen Marsch nach Ankara organisieren, unter Beteilung von Künstlern und Intellektuellen.

Der Vorsitzende des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Luzius Wildhaber, der mit einer Delegation auf Einladung des Außenministeriums in die Türkei gekommen ist, hat Justizminister Hikmet Sami Türk aufgefordert, „mehr Flexibilität“ zu zeigen. Doch die Regierung lehnt direkte Gespräche mit den Hungerstreikenden weiterhin kategorisch ab. „Direkte Gespräche oder gar Verhandlungen sind unmöglich“, sagte Ali Suat Ertosun, der im Justizministerium für alle Gefängnisfragen zuständig ist. „Wir führen die notwendigen Gesetzesänderungen durch. Die Verantwortung für den Hungerstreik liegt aber bei den Gefangenen selbst.“

Die Gesetzesänderungen, die auf Initiative des Justizministeriums schon verabschiedet wurden oder noch vorbereitet werden, sind eine Ergänzung des Antiterrorgesetzes. Sie sehen vor, dass Gefangene künftig an Gemeinschaftsveranstaltungen in den neuen Gefängnissen teilnehmen können. Ferner sollen Nichtregierungsorganisationen Zugang zu den Gefängnissen bekommen, um die Zustände dort zu überwachen.

Der bereits verabschiedete Zusatz zum Antiterrorgesetz wird von der Angehörigenorganisation der Gefangenen (Tayad), aber auch von der Anwaltskammer als unzureichend abgelehnt, weil es sich nicht um einforderbare Rechte der Gefangenen handelt, sondern um Vergünstigungen. Sie werden nur bei guter Führung gewährt – und darüber entscheidet die Anstaltsleitung.

Auch die unabhängige Überwachung soll wesentlich eingeschränkt werden. Mitglieder dieser Kommission dürfen keiner Partei angehören und müssen Staatsangestellte sein. Damit dürfte klar sein, dass auch dieses Gesetz nicht dazu führen wird, dass die Häftlinge den Hungerstreik abbrechen werden. Nach Auskunft der Ärztekammer muss jeden Tag mit weiteren Todesfällen gerechnet werden, da auch die Zwangsernährung, wie sie jetzt praktiziert werde – Leute bekommen Infusionen, wenn sie ins Koma fallen –, viele Gefangene nicht retten wird.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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