: Der Wohlfühler
Jürgen Hunke ist die Statt Partei, der Wechsel sein Ziel, von Beust ist sein Trumpf, Schill sein Joker. Und zu viel Zeit sein Problem ■ Von Sven-Michael Veit
„Wohlfühlen“ heißt sein Programm, „der Wechsel in Hamburg“ ist sein Ziel: Auf diese beiden Punkte lässt sich das Streben von Jürgen Hunke reduzieren, nachdem er einen halbstündigen Monolog – voller Satzfragmente, die er nicht zu Ende führt, weil bereits die nächste Assoziation nach Verbalisierung drängt – gehalten und leicht ungehalten reagiert hat, wenn JournalistInnen ihn mit konkreten Nachfragen – „Dazu komme ich gleich, geben Sie mir noch fünf Minuten“ – unterbrechen zu wollen wagten.
„Wohlfühlen“ also sollen sich „die Bürgerinnen und Bürger wieder in dieser schönen Stadt“, und das gehe nur mit Statt. Mit dieser bürgerlichen Protestpartei, die es 1993 ins Rathaus und in eine Koalition mit der SPD schaffte, welche es „nun nach 44 Jahren an der Macht endlich abzulösen“ gelte, und die Hunke im September nach dreieinhalb Jahren außerparlamentarischen Schattendaseins erneut in die Bürgerschaft führen will.
Er hat sie wiederbelebt: Die Statt Partei ist Jürgen Hunke. Als Vorsitzender, als Spitzenkandidat, als Geldgeber, als kreativer Kopf, als „Häuptling“, wie der frühere HSV-Präsident, Kammerspiele-Eigentümer und millionenschwere Versicherungsmaklerfirma-Exinhaber sich auf seiner Website selbst verkauft. Denn „von Präsentation, von Marketing“, sagt Hunke, „da verstehe ich was“.
Und von Politik verstünde er auch was, und deshalb sei er überzeugt, „dass das bürgerliche Lager den Wechsel nicht ohne uns schafft“. Die FDP sieht Hunke sicher wieder im Parlament und „mit im Boot“, und die CDU, der größten potentiellen Partnerin, sieht er an seiner Seite und sich an ihrer. Der Herr von Beust, sagt Hunke, „der will es jetzt wissen. Der wird hundertprozentig kämpfen, der will jetzt Bürgermeister werden“. Und weil er den CDU-Spitzenkandidaten für „einen sehr guten Bürgermeister“ hält, sei er gerne dessen „stärkste Korsettstange: Ich bin der größte Kämpfer für Ole von Beust“.
Sie beide, „das ist meine feste Überzeugung“, würden sich „das Pflaster aufteilen“. Die Stammwähler für die Union, „und ich nehme die Jungen und die Nichtwähler“. Und deshalb sei es sein erstes Ziel, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Zehn Prozent mehr als vor vier Jahren, „79,5%, sag' ich immer“, sollen am 23. September zur Stimmabgabe schreiten, und wenn „diese Mobilisierung gelingt“, woran er keinen Zweifel habe, „wenn dieser Zug zum Wechsel erstmal ins Rollen gekommen ist, dann...“, ja dann, räumt Hunke nach mehrfachem Bohren der JournalistInnen ein, dann sei da möglicherweise noch dieser Schill.
Obwohl der „ja eigentlich nicht koalitionsfähig“ sei, weil der „ja keine Politik macht, sondern populistische Phrasen drischt“. Dieser Schill also, der Hunke, dem vor Energie Berstenden mit dem sprudelnden Ego, dem Humanisten mit dem Faible für fernöstliche Philosophien, der seine Villen am Pöseldorfer Mittelweg und in Timmen-dorfer Strand ganz in japanischem Stil designt hat, Schill also, der ihm, Hunke, spürbar zuwider ist.
Aber „als Joker“, wenn es denn gar nicht anders ginge, wenn es denn notwendig sei „für den Wechsel, den ich will – mit allen Mitteln“, dann müsse man vielleicht mit Schill, aber das sei ja noch lange hin, und da könne noch viel passieren, und „der Mann ist ja auch kein Undemokrat“.
Und er selbst, Hunke? Im Senat? Zweitrangig. „Wohlfühlen“, für alle, das sei wichtig. Und dass sich in der Stadt was ändert, die Stimmung, die Bürokratie, die Kultur, und dazu wolle er beitragen, auch „in der Verantwortung“, wenn es „ohne mich nicht geht“. Aber, sagt Hunke, „ich muss nichts mehr werden, ich würde das auch für eine Mark machen oder für einen Euro, aber ich bin darauf nicht angewiesen“. Er sei doch nur ein Bürger, der sich engagiert, damit andere sich wohlfühlen, das sei er, finanziell unabhängig, ja sicher, mit viel Kreativität, mit vielen Ideen. Mit viel Zeit.
Genau das ist sein Problem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen